Oh, es kam wie vorhergesagt: Einige Menschen haben sich prompt aufgeregt über den Auftakt dieser Kolumne. Da wurde gefaucht und gepoltert, vor allem online. Ja, so ist das, wenn eine Frau (hihi) über das Einkaufen (würg) schreibt: zum Blödfinden und Belächeln. Ich finde das sehr beruhigend. Der Beschwerdeschwall zeigt: Die Welt ist viel berechenbarer, als oft behauptet wird. Da lesen manche das Wort „Konsum“, und sogleich springen die Abwehrreflexe an. Volle Pawlow-Power, yeah! Solche Mechanismen sind natürlich allerfeinstes Rohmaterial für eine Kolumne. Und so schließt unser heutiges Thema nahtlos an das Gemotze an: Es geht um die Sehnsucht nach klaren Feindlinien – und wie man ganz verrückt und miesepetrig werden kann, weil es so einfach heute leider nicht (mehr) ist.
Konkret geht es um den Widerstreit zweier edler Verbraucherprinzipien. Da ist einerseits der Wille zu fairem Konsum – und andererseits die Hinwendung zum Lokalismus. Ich behaupte: Beides zusammen geht nicht. Jedenfalls nicht in meinem Viertel, dem Berliner Wedding, einst „Roter Wedding“ genannt, bis heute proletarisch-migrantisch geprägt und schwer prekär.
Lebensmittel, Bettwäsche, Zigaretten: Als Weddingerin versuche ich, meinen Bedarf an Zeugs in meiner Umgebung zu decken. Womit wir beim Lokalismus sind. Er folgt dem Motto: „Support your local dealer“. Die Bewegung stammt aus den USA, aus den 70er Jahren. Nun, da allerorts die Gentrifizierung wütet, erlebt sie wieder einen Aufschwung. Die Anhänger nennen sich „localists“, organisieren sich etwa unter buylocal.de und sagen ungefähr folgendes: „Geh gefälligst bei dem Einzelhändler um die Ecke einkaufen und hör auf, deinen Krempel im Internet zu bestellen, wenn du nicht willst, dass deine Nachbarschaft verarmt, verödet oder mit Spiegelglas-Showrooms plattgewalzt wird!“ Ich halte ziemlich viel von dieser Idee.
Andererseits ist da der faire Konsum: Der Vorsatz, keine ausbeuterisch hergestellte Ramschware mehr zu kaufen, um den menschen- und ressourcenverachtenden Kreislauf der Billigproduktion zu brechen. Nicht nur die Marketingmafia, auch die Politik erzählt es uns immer wieder: „Die Verantwortung liegt bei dir, du musst dir individuell Mühe geben!“ Brennende Sweatshops sehen wir ja öfters in den Nachrichten. Weltverbesserungswütige Mittel- und Oberschichtler schimpfen dabei gern auf verdächtige Handelsmarken wie „Kik“ oder „Tedi“. Die Parole „Buy local“ soll auch in diesem Punkt helfen: Wer regional hergestellten, CO2-korrekten Kram verwendet, kappt die quasi-kolonialen Ausbeutungsstränge. Müssen die Sklaven in Fernost halt irgendwie anders durchkommen, gell?
Masthähnchen statt Bio?
Nun ist der Wedding knatschbunt, es gibt viel dort zu sehen. Nur ist es eben keine Bioladen-Zone, eher ein 1-Euro-Shop-Areal. PVC-Handtaschen sind dort sehr modern. Als Lokalistin möchte ich den Plastikshop und den Masthähnchenbrater nebenan gern unterstützen. Weil ich immer noch lieber in einer Gegend wohne, in der es nach vergrilltem Schundhuhn riecht und in der ich Highheels für fünf Euro bekäme, falls ich sie mal bräuchte, als da, wo ich an jeder Ecke mit sogenannten Fashion-Statements belästigt werde.
Als Lokalistin im Wedding unterstütze ich gleichwohl den Abverkauf ganz schlimmer Ausbeutungsware. Sonderlich viel wird eine „Tedi“-Verkäuferin nicht verdienen. Gäbe niemand sein Geld bei ihr aus, sondern nur noch in Naturholz-Galerien in Kreuzberg, würde der Ramschmarkt vielleicht dichtmachen. Wieder würde die örtliche Hartz-IV-Statistik im Wedding um ein Viertelprozent nach oben klettern. Wieder hätte der Klassismus eine Schlacht gewonnen. Es bleibt also schwierig – bleiben Sie dran!
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