Ein Albtraum einer 100-Prozent-Welt

ZDF-Morgenmagazin Drei Moderatorinnen sollten am Montagmorgen beweisen, dass "wir" es auch "alleine schaffen". Von anderen Themen und Perspektiven war in der Sendung leider wenig zu sehen

Wer bewiesen haben wollte, dass Frauen nicht qua Geschlecht die besseren Medienmacher sind, der musste sich am vergangenen Montag nicht erst die Bunte oder gar Germany’s Next Topmodel zu Gemüte führen, sondern bloß das ZDF einschalten. Am Tag nach dem Muttertag hatte sich das öffent-lich-rechtliche Morgenmagazin eine Frauenquote von 100 Prozent verordnet und deshalb das „o“ im Logo durch ein leuchtend orangefarbenes ♀ ersetzt, ♀h♀! Ein Venussymbol in selber Farbe stand als weibshohes Standbild im Studio, ein kleineres zierte die Kaffeetassen der Moderatorinnen. Hätten Dunya Halali und Anja Heyde nicht darauf hingewiesen, man hätte es glatt übersehen.

Die Sendung, so bekam frau erklärt, sollte beweisen, dass „wir“ es auch „alleine schaffen“. Blöd nur, dass Licht und Ton von Männern verantwortet wurden, da schlichtweg keine Frauen für diese Jobs verfügbar waren.

Von anderen Themen oder anderen Perspektiven war recht wenig zu sehen. Im Gegenteil bot der Ausnahmezustand der Redaktion einen willkommenen Deckmantel, um im Parforceritt durch die Galerie der Vorurteile zu galoppieren. Ein mehrmals gesendetes „Service“-Filmlein führte vor, dass „wir“ tatsächlich in der Lage sind, in der Küche nicht nur zu kochen, sondern auch die Raufasertapete abzulösen und die mirakulös darunter auftauchende Wand zu streichen, und zwar nicht nur in Weiß, sondern sogar in Sonnengelb. „Aber Achtung: Wer billig kauft, streicht doppelt!“ Und schon strahlten drei frühstückende Frauen pathologisch grinsend in die Kamera: „Das Wetter wird Ihnen präsentiert von Tupperware“. Bereits um 6.30 Uhr dann die bange Frage, wo der Chef sei. Ist der Kater aus dem Haus, tanzen die Mäusinnen auf dem Tisch. Aber eben nur dann.

Mit der Sportlerin Ariane Friedrich sprach frau statt über sexuelle Belästigung oder über die Geschlechterverhältnisse im Sport über, genau, Friedrichs Gefühle angesichts schlechter Presse – „Wie sehr hat Sie das verletzt?“ – und ihren Körper: „Wie viel müssen Sie zum Beispiel wiegen? Das interessiert ja alle Frauen hier im Studio“, lach, lach. 58 Kilogramm wiegt die Hochspringerin aktuell, und eines davon muss noch runter bis zur Leichtathletik-WM im August. Daraufhin Jessy Wellmer: „Jetzt habe ich gerade meine Chefredakteurin im Ohr: Bei welcher Größe?“ 1,79m, ♀h♀; den BMI möge sich, wer Menschen nur in solche Kategorien zu fassen weiß, bitte selbst ausrechnen.

Und dann war da noch die obligatorische Eigenwerbung, bei deren Auswahl sichtlich streng auf die Vermeidungjeglicher Hirnaktivität geachtet wurde: Wirklich gaanz toll, diese hölzerne ZDF-Verfilmung des ebenso hölzernen Nele-Neuhaus-Krimis Eine unbeliebte Frau, der sich Neuhaus-typisch an sexueller Gewalt delektiert, jedes kleinbürgerliche Ressentiment bedient und einzig in Klischees über reiche, sexy gekleidete, stark geschminkte, Champagner schlürfende, tierquälende (= böse) Frauen gründet, die den ach so natürlichen, waldliebenden, tierfreundlichen (= guten) Frauen das Leben schwer machen.

Um 9 Uhr war der Spuk, ein morgendlicher Albtraum von einer 100-Prozent-Welt, endlich vorbei. Wie jede Sturmfrei-Party rüttelte auch diese in keinem Moment an der Norm, sondern bestätigte sie in einem fort.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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