Dicke Hose

Fingerspiele Merkel macht die Raute, Steinbrück den Stinkefinger - wo bleibt die Faust, die geballte?

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Dicke Hose

Foto: Shaun Heasley/ AFP/ Getty Images

Nun ist es aber auch wieder gut. Natürlich kann man Merkels Raute und Steinbrücks Mittelfinger als sexuelle Gesten interpretieren als Schoß und Schöpfung sozusagen, wie Harald Jähner in der „Berliner Zeitung“ die Zeichen alter Zeiten sehr hübsch deutet. Es bringt für den Moment sogar ein wenig Würze in den Wahlkampf, der auf sexuelle Anspielung wie überhaupt auf jede Deutlichkeit weitgehend verzichtet - zumindest im Bereich der bewussten Körpersprache.

Mit der Faust auf den Tisch zu hauen, scheint ja nicht mehr möglich in dieser Kommunikationskultur, an der alles abgleitet, weil sie auf klare Worte reflexhaft mit Rücktrittsforderungen reagiert oder mit einer Dankbarkeit zwischen Häme und wohligem Entsetzen.

Endlich passiert mals was? Muttis Raute ist einstudiert seit Jahren, eine Handreichung für Kabarettisten und Karikaturisten und als solche womöglich sogar Absicht, weil im Grunde harmlos. Vatis Stinkefinger ist inszeniert im Rahmen der auf Gesten basierenden Foto-Interview-Rubrik „Sagen Sie jetzt nichts“ im SZ-Magazin, die von erhobenen Daumen, verzogenen Mundwinkeln und mimischer Überzeichnung lebt. Je nach Begabung.

Es kann da nur um Klischees gehen, und es gibt im aktuellen Heft sechs weitere Steinbrück-Bilder. Auf die wegweisende Frage „Tragen Sie unterm Hemd noch ein Unterhemd?“ löst der Kanzlerkandidat ein paar Knöpfe und lässt Brusthaar sehen. Banal ist auch seine Darstellung der Antwort auf die Vorlage „Der FDP-Chef Philipp Rösler spricht Ihnen die Befähigung zum Bundeskanzler ab. Haben Sie eine Botschaft an ihn?“ Sie ließe sich so übersetzen: „Ich? Eine Botschaft? An den?“ Diesmal ist es der Zeigefinger, er weist ganz leicht nach unten.

Nichts sagen zu dürfen und nichts zu sagen haben sind zwei Finger an verschiedenen Händen. Merkel legt sie aneinander; andere fuchteln in ihrer Wahlkampfpantomime in alle Richtungen. Und zeigen meist nirgendwohin. Sich ernsthaft über einen aufmerksamkeitsfördernden Mittelfinger zu erregen, ist so albern wie das Ballen der Faust in der Tasche. Es macht nicht mehr als eine dicke Hose.

(zuerst hier)

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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