Grimmes Zukunft

Medientagebuch Mit Frauke Gerlach wird eine politische Figur als neue Direktorin des Grimme-Instituts gehandelt. Warum nicht jemand aus dem Kernbetrieb?
Ausgabe 46/2013

Adolf Grimme, nach dem der bekannte Preis und später das Medieninstitut im nordrhein-westfälischen Marl benannt wurde, war kein berühmter Kritiker oder Produzent. Er war Sozialdemokrat; von 1946 bis 1948 Kultusminister von Niedersachsen und danach Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks. Wer nur diese biografische Note kennt, wundert sich vielleicht nicht, dass mit Frauke Gerlach eine politische Figur als Leiterin des Grimme-Instituts gehandelt wird.

Doch die Personalie, über die der Spiegel schreibt, ist überraschend. Denn der Zugriff der Politik auf die Leitung des Instituts ist nicht üblich, auch wenn es zu knapp zwei Dritteln vom Land NRW finanziert wird – es wurde in den 40 Jahren seines Bestehens vor allem von Medienjournalisten und -wissenschaftlern geführt. Der jetzige Direktor Uwe Kammann, der Ende April in den Ruhestand geht, war zuvor Redaktionsleiter bei epd Medien.

Frauke Gerlach, die Aufsichtsratsvorsitzende des Grimme-Instituts, ist Justiziarin der Grünen-Landtagsfraktion. Zu den Gesellschaftern des Instituts gehören neben dem Deutschen Volkshochschulverband, der 40 Prozent der Anteile plus eine Stimme hält, dem Land NRW, der Stadt Marl, WDR und ZDF auch die Film- und Medienstiftung NRW und die Landesanstalt für Medien NRW – zwei Institutionen, die auch in Gerlachs Lebenslauf auftauchen; sie sitzt in Aufsichtsräten. Wer eine halbwegs erfahrene Nase hat, wittert Postenverteilerei.

Nun kann einen Erfahrung aber nicht nur klug machen, sondern auch ungerecht. Gerlach als unqualifiziert darzustellen, wäre unangemessen, sie ist vom Fach. In ihrer Dissertation kritisiert sie etwa Intransparenz in der Medienpolitik, was man, fehlenden Zynismus vorausgesetzt, als gutes Zeichen deuten kann. Nur ist sie nicht aus der Praxis. Als Fernsehbranchenkennerin ist sie nicht aufgefallen. Das Institut vergibt aber die wichtigsten deutschen Fernsehpreise, daher rührt seine Reputation. Und mit Kammann geht der langjährige Referent der Grimme-Preise, Ulrich Spies, in den Ruhestand. Warum nicht jemand aus dem Kernbetrieb?

Dazu sagt Karl Heinz Eisfeld, der in der Gesellschafterversammlung den Volkshochschulverband vertritt, dass neben Gerlach noch drei weitere Kandidaten aus den Bereichen Journalismus, Mediendiskurs, Management zu Bewerbungsgesprächen eingeladen seien. Im Spiegel hieß es dagegen, keiner der 17 externen Bewerber sei für „passend“ befunden worden, daher sei intern Gerlach ins Spiel gebracht worden; erfunden hat der Spiegel das ja nicht. Irgendjemand aus dem inneren Kreis hat das Verfahren also entsprechend dargestellt. Es ist insofern nicht durchsichtiger als Milchglas.

Sicher ist, dass Gerlach noch nicht gewählt ist. Fragt man sich, was für sie spricht, liegt die Vermutung nahe, dass die geplante Umstrukturierung des Instituts eine Rolle spielen könnte, die im Grimme-Aufsichtsrat beraten wird, dem Gerlach vorsteht. Es soll in Zusammenarbeit mit einer Universität, eventuell Köln, stärker die Folgen der Digitalisierung in den Blick nehmen, so will es die rot-grüne Landesregierung.

Es könnte also sein, dass die im Spiegel implizit aufgeworfene Frage, ob Gerlach geeignet sei, ein Institut zu leiten, das zentral Fernsehqualität debattiert, in die Irre führt. Vielleicht muss die Frage lauten, ob Gerlach die Richtige sei, ein Institut zu leiten, das unter anderem zur Digitalisierung forscht.

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