Serien als Serien

Streamingdienste Amazon macht nun Fernsehserien, aber anders als der Konkurrent Netf lix: Sie sollen wohl ausgestrahlt werden, als wären sie Fernsehen der Neunziger – nicht am Stück
Ausgabe 29/2013
Serien als Serien

Illustration: Otto

Das Überraschende an den zwei Serien, die Amazon für seine Internet-Streamingdienste produziert, ist nicht ihr Inhalt. Man konnte von den Sitcoms Betas und Alpha House bislang nur die Pilotfolgen sehen. Um zu erkennen, dass es sich zwar um neue Serien handelt, die aber auf gebrauchten Ideen beruhen, genügt das jedoch. Story, Setting und Hormonhaushaltswitze in Betas, einer witzig gemeinten Serie über Computerhonks mit der Sozialkompetenz langjähriger Eremiten, wirken wie zusammengerührt aus Elementen des Films Social Network über Mark Zuckerberg von Facebook, der Serie Entourage über einen Hollywood-Schauspieler und seine Kumpels und der Geek-Sitcom The Big Bang Theory.

Und in der Serie Alpha House mit John Goodman, die sich gut anlässt, erleben wir vier über-, aber weniger klischeehaft gezeichnete republikanische US-Senatoren, die in einer WG leben. Auch für die Politikerserie gibt es Vorbilder: The West Wing etwa oder House of Cards des Streamingkonkurrenten Netflix, eine Serie, die Alpha House-Produzent Jonathan Alter selbst als Vorbild bezeichnet hat. Sie habe geholfen, einigen Leuten (vulgo: Entscheidern) klarzumachen, dass es für Streamingdienste nicht nur ein nennenswertes Publikum gibt, sondern sogar eines für politische Serien. Amazon macht also, was schon einmal funktioniert hat. Es ist halt auch irgendwie nur Fernsehen.

Überraschend ist vielmehr, dass Amazons Streamingdienste – der in Deutschland verfügbare heißt Lovefilm, obwohl da auch Hatefilme laufen – Netflix in anderer Hinsicht gerade nicht nacheifern: Alpha House soll, wie Jonathan Alter ankündigt, nicht am Stück verfügbar gemacht werden.

Mit House of Cards spielte Netflix den Vorteil des Streamings gegenüber dem klassischen zeitgebundenen Fernsehen aus. Nicht eine Episode nach der anderen wurde gezeigt, sondern alle Folgen auf einmal wurden eingestellt. Wer wollte, konnte immer weitergucken. Binge-Viewing heißt das (wie in Binge-Drinking – Komasaufen): Glotzen, bis nichts mehr reingeht. House of Cards wurde entsprechend geschrieben: Die erste Staffel umfasste 13 Folgen à 50 Minuten, aber eigentlich war die Serie ein elfstündiger Film in 13 Kapiteln; es gab weder Cliffhanger am Episodenende noch Rückblicke auf das bisherige Geschehen am Anfang. Netflix schien damit schon das letzte Stündlein der klassischen Fernsehsender einzuläuten.

Amazon aber verzichtet nun auf Binge-Viewer und will mit Alpha House sogenanntes Appointment TV machen, terminiertes Fernsehen. Der genaue Modus ist noch nicht bekannt, aber der Zuschauer soll sich zumindest wieder eine Weile auf die nächste Folge freuen müssen. Außerdem müssen Kunden häufiger wiederkommen, wenn sie nicht alle Episoden auf einmal bekommen. Sie zahlen länger für ihre Streaming-Flatrates.

Für klassische Fernsehsender wie ZDF neo (wo an einem Juliwochenende eine ganze Staffel der vielgerühmten Serie Girls nachts in zwei Blöcken erstgesendet wurde) heißt das: Es gibt gar nicht die eine Patentlösung, die mit House of Cards ja beinahe schon gefunden schien; auch die Streamingdienste haben keine. Man muss ihnen also auch nicht hinterherlaufen, sondern könnte auch auf eigene Stärken setzen und noch mal an der Erzeugung von TV-Serienritualen arbeiten. Ein Musterbeispiel lief vor 15 Jahren bei Vox: Dienstags machten manche Kneipen gar nicht erst auf, weil das Publikum bekanntlich zu Hause Ally McBeal sah. Wer glaubt, dass das heute beim besten Willen nicht mehr funktioniert, hat vielleicht noch nie vom Tatort gehört.

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