Freie Journalistinnen sind Mitglieder der Künstlersozialkasse. Folglich ist Journalismus Kunst. Was bisher nur eine unscharfe Verwaltungsbezeichnung für eine Tätigkeit war, die weder am Fließband stattfindet noch lukrativ ist, gewinnt an Bedeutung: Journalistische Geschäftsmodelle nähern sich jenem des Kunsthandels an.
Unter Selbstständigen hat sich herumgesprochen, dass ein Journalist wirtschaftlich am besten funktioniert, wenn er ein Star ist: Wenn, wie Constantin Seibt kürzlich geschrieben hat, in einer digitalen Kultur alle zur Marke werden müssen, um zu überleben, werden es nicht alle schaffen, andere dafür ein wenig besser. Das ist seit jeher das Los des Künstlers.
Eine große deutsche Medieninstitution hat nun das Gedankenspiel aufgenommen, in eine Art Kunsthandel einzusteigen. Thomas Schultz-Homberg, Leiter Elektronische Medien der FAZ, hat gegenüber dem Nieman Journalism Lab der Universität Harvard den Gedanken ausformuliert: „Wir beginnen, über eine Zeitung ohne Anzeigen nachzudenken.“ Eine solche FAZ könnte nach grober Berechnung für 80 bis 90 Euro im Monat zu haben sein, statt, wie derzeit, für knapp 50. „Vielleicht gibt es ein Publikum, das immer noch süchtig nach Papier ist.“
Rückkehr der Scheibe
Das Geschäftsmodell wäre dem der Schallplatte vergleichbar, und so neigt man spontan dazu, das Szenario für realistisch zu halten. Die Vinylplatte war schon totgeredet, als die Zeitung noch das blühende Leben war. Seitdem ist einiges geschehen. Nicht nur ist sie in regelmäßigen Abständen auferstanden – um ein wenig wahllos Überschriften zu zitieren: Die Rückkehr der Schallplatte (2004), Die schwarze Scheibe kehrt zurück (2006), Comeback der Scheibe (2010), Vinyl feiert ein Comeback (März 2013). Mittlerweile soll sie sogar Jahr für Jahr „neue Verkaufsrekorde“ feiern (Oktober 2013), und es gibt wieder Werke, die nur für Vinyl aufgelegt werden. Soeben kam eine Sammleredition des Hörspiels Der Hobbit auf Platte heraus.
Die gedruckte Zeitung könnte sich zum Liebhaberobjekt entwickeln, weil sie mit der Schallplatte eine Voraussetzung teilt: Sie wird eigentlich nicht mehr gebraucht. Trägermedien, ob Papier oder Vinyl, werden als echte Gebrauchsgegenstände mit der Zeit unverkäuflich, wenn man ihren Inhalt auch auf dem Computer rezipieren kann. Wenn aber Vinyl heute auf einem Markt für Spezialvorlieben gehandelt wird (der den großen Musikausstoß für digitale Wege nicht tangiert), warum nicht auch die Papiertageszeitung?
Knacken und Rascheln
Die Vermutung, dass es ein Publikum gibt, das bereit ist, dafür zu zahlen, scheint plausibel. Der drohende Niedergang von Vinyl und gedruckter Zeitung haben jeweils eine identische Bestürzung ausgelöst. Seitdem ihre Existenz nicht mehr selbstverständlich schien, wurden sie überhöht: Platten hätten im Gegensatz zu einem Streamingdienst Anfang und Ende. Zeitungen würden jeden Abend abgeschlossen und schüfen so eine Ordnung, die uns das Mehr-in-Kürze einer Onlineplattform nicht vorgaukeln kann. Platten knacken so schön warm. Zeitungen rascheln so heimelig.
Man muss bei Platten nur aufpassen, dass sie nicht verkratzen. Und in Zeitungen sollte man von nun an lieber nur noch ganz besondere Fehler machen. Solche, für die Sammler extra fiel Geld ausgeben.
Klaus Raab stapelt von nun an kein Altpapier mehr. Er sammelt es jetzt. Montags auch unter dasaltpapier.de
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