Was zeichnet französische Naturweine aus?

Der Trinker Die französische Weinszene ist einzigartig: Nirgends ist der Anteil biodynamisch arbeitender Weingüter so groß. Die Winzer sind radikal in der Vermeidung von Chemie
Was zeichnet französische Naturweine aus?

Illustration: der Freitag

Die spinnen, die Gallier! Was von deutschen Winzern meist als weltfremd abgetan wird, behauptet sich im Weinland Frankreich als hartnäckige Überzeugung einer eigenwilligen Szene. Unter bescheidenen Bedingungen und fernab von üblichen Standards behaupten hier viele „kleine“ Winzer seit Jahrzehnten ihren verstiegen wirkenden Glauben an authentische Weine.

Zwar besitzt Italien die meisten ökologisch bewirtschafteten Weinberge, doch die französische Weinszene bleibt, was den vin naturel angeht, ein einzigartiges Phänomen. Nirgends ist der Anteil biodynamisch arbeitender Weingüter so groß, nirgends die Präsenz des Naturweins so ausgeprägt wie in der grande nation. Und der Kreis der Alternativen hat durchaus Erfolg über die Grenzen Frankreichs hinaus. Rund um den Globus finden sich renommierte Restaurants mit einem Naturweinsortiment auf ihrer Weinkarte. Im Frühjahr beteiligten sich 200 britische Gastronomiebetriebe an dem „Real Wine Month“, einer Kampagne für französischen Naturwein. Ausgesprochen informative Weinführer begleiten die Entwicklung. Und die Szene zieht auf ihren alljährlichen Ausstellungen immer mehr Liebhaber und professionelle Einkäufer aus aller Welt an.

Die Zielsetzung dieser Winzer ist radikal. Sie schwören im Weinberg auf die Wahrung der Intimität der Natur, ernten wenig und ausschließlich per Hand, setzen für die Gärung auf natürliche Hefen und vermeiden beim Ausbau des Weins jegliche Chemie. Einzige Ausnahme ist der minimale Zusatz von Schwefel. Doch selbst darauf verzichten die Puristen unter ihnen. Zumeist bewegt sich der Wein in den Kellern nach dem Prinzip natürlicher Schwerkraft. Begleitung statt Eingriff ist hier die Losung. Bei einigen spielen selbst die Mondphasen eine Rolle, wenn Arbeiten wie Rebschnitt oder Abfüllung anstehen. Der Minimalismus im Weinkeller geht zurück auf den Winzer und Chemiker Jules Chauvet, dessen in Kooperation mit dem deutschen Nobelpreisträger Otto Warburg und dem Institut Pasteur betriebene Studien das önologische Fundament der Naturweinherstellung darstellen.

Zwangsläufig schwimmen die Weinnaturalisten Frankreichs dabei auch daheim gegen den Strom. Kontrollbehörden schauen ihnen im Sinne administrativ definierter Restriktionen auf die Finger. Der chemischen Industrie, die am Markt ihre Weinzusatzstoffe umsetzen muss, sind sie ein Dorn im Auge. Renommierten Gütern mit ihren konventionell hergestellten Weinen machen sie unliebsame Konkurrenz. Zudem sind die wenig linientreu duftenden Naturweine für viele gewöhnungsbedürftig. Und schließlich schert sich auch ein erheblicher Teil französischer Konsumenten nicht um naturphilosophisch befrachtete Geschmacksfragen und trinkt nach dem Prinzip n’importe quoi – egal was. Bei alledem haben die alternativen Winzer auch mit hausgemachten Problemen zu kämpfen, vor allem mit der Herausforderung, unter naturnahen Bedingungen stabile Weine ohne Essigtouch herzustellen.

Dennoch: Einige grandiose Erzeugnisse entstammen dieser Szene aus alten Hasen und jungen Wilden – unter ihnen Chardonnay und Poulsard des Maison Overnoy, Sauvignon blanc von Augé, Sauternes von Déjean, Beaujolais von Jambon, Cinsault von Fhal, Romorantin von J. Courtois. Vor allem besticht die Bekömmlichkeit dieser Weine. Allein das spricht für den Grundsatz der Naturalisten, dass es in Sachen Wein auch ohne Chirurgie und Kosmetik geht. „Nicht wahr, alles das erscheint wie verrückt.“ So resümierte schon Rudolf Steiner, geistiger Ziehvater einiger französischer Naturweinwinzer, seine abseitig anmutenden Gedanken aus dem landwirtschaftlichen Kurs.

Klaus Kosok beantwortet einmal im Monat alle Fragen rund um den Weingenuss

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