Uschi besiegt die Jugendarbeitslosigkeit

Arbeit Mit einem albernen Kleinprogramm wollen von der Leyen und Schäuble die Jugendarbeitslosigkeit besiegen. Ein Ansatz der nichtmal zur Satire taugt.

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Wir müssen alle froh sein, dass Ursula von der Leyen in die Politik gegangen ist. Andernfalls wäre sie jetzt Ärztin und eine echte Bedrohung für ihre Patienten.

Zusammen mit Wolfgang Schäuble und den beiden französischen Amtskollegen hat von der Leyen in der SZ dargelegt wie sie die Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen will. Und die vorgeschlagenen Rezepte sind ungefähr so sinnvoll wie wenn man Krebs im Endstadium mit Hühneraugenpflaster bekämpfen will.

Was schlagen die Vier von der Tankstelle also vor:

Mobilität, Flexibilität, bessere Bildung, mehr Investitionen in Arbeit

Alles schön und gut. Aber die Bereitschaft, für einen Job umzuziehen nützt auch nur dann, wenn ein Job tatsächlich vorhanden ist. Bevor mir solche Gestalten mit ihrem neoliberalem Sermon die Ohren verstopfen, wüsste ich zu gerne, in welchem Wirtschaftszweig die ganzen Arbeitsplätze entstehen sollen, die man dann mit den oben genannten Eigenschaften besetzen will. Wenn keine Arbeitsplätze vorhanden sind, sorgt mehr Bildung nur dafür, dass demnächst die Burger-Brater bei MacDonalds ein Hochschuldiplom haben.

Tatsächlich ist weit und breit kein Wirtschaftszweig am Horizont zu erkennen, die dafür sorgen könnte, dass zumindest ein Teil der Arbeitslosigkeit abgebaut würde. Ganz im Gegenteil sind auch noch die bestehenden Jobs durch die Anwendung der mikroelektronischen Potenziale bedroht. Hier sollte einem die Industriemesse in Hannover zu denken geben, bei der ein neuer Trend die autonome Fertigung von Produkten durch Roboter war.

Die Lüge fängt aber schon viel früher an. Sie liegt schon im Begriff der Jugendarbeitslosigkeit. Das Wort "Arbeitslosigkeit" suggeriert ein temporäres Phänomen.

Man ist für kurze Zeit seine Arbeit los und findet dann wieder neue.

Aber bei Jugendarbeitslosigkeitsquoten von 40 bis 63 % in den südlichen Ländern haben wir es nicht mehr mit einem temporären Phänomen zu tun, sondern mit einem Dauerzustand. Es handelt sich also nicht mehr um Arbeitslose sondern um Überflüssige. Für Menschen, für die es innerhalb dieses Wirtschaftssystems keine Verwendung mehr gibt. Daran werden auch die ganzen armseligen Progrämmchen der Frau von der Leyen nichts ändern. Solange sie innerhalb des kapitalistischen Formzusammenhangs bleiben, gibt es keinen Ausweg aus der Krise.

Sobald sie diesen Formzusammenhang verlassen, tun sich da ganz andere Möglichkeiten auf.

Fangen wir mit der "Arbeit" an: Arbeit ist eine schizophrene Angelegenheit. Sie hat zwei Seiten. Arbeit ist zum einen die Tätigkeit, die während der Arbeitszeit verrichtet wird. Diese Tätigkeit ist in aller Regel verhasst.Niemand verbringt den Tag gerne in Büros , in Lagern oder an Fließbändern. Da Arbeit sich nach dem Profit ausrichtet, werden selbst solche Tätigketen hassenswert, die eigentlich recht angenehm sind. Es dürfte viele Menschen geben, die gerne kochen, aber nur sehr wenige, die gern als Koch arbeiten würden. In der Regel bietet der Job nur Stress, unregelmäßige Arbeitszeiten und miese Bezahlung. Arbeit ist eben Mühe und jede ersparte Arbeit bedeutet ersparte Mühe.

Die zweite Seite der Arbeit ist das Geld, das man mit ihr verdient und mit dem man sein ökonomisches Überleben sichert. Dank der sozialen Abrissbirnen von der SPD haben seit der Agenda 2010 Arbeit und Geldverdienen nicht mehr viel miteinander zu tun.

Ursula von der Leyen glaubt, dass es bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hauptsächlich um den ersten Aspekt geht. Die Leute brauchen irgendeine Beschäftigung sonst hat ihr Leben keinen Sinn und wenn diesen Beschäftigung nur darin besteht, in einem Callcenter zu sitzen und andere Leute zu belästigen. Hier rächt sich, dass vdL aus wohlsituiertem Hause ist und in ihrem ganzen Leben bestimmt noch nie an einem Fließband gestanden hat. Sonst würde sie so einen Quark nicht glauben.

Eine Möglichkeit, dass "Problem" der "Jugendarbeitlosigkeit" zu lösen, ist wäre es, beide Bereiche zu trennen. Das ökonomische Auskommen könnte bspw. durch ein bedingungsloses Grundeinkommen gesichert werden. Der Tätigkeits-Aspekt der Arbeit müsste dann durch eine gesamtgesellschaftliche Planung der Wirtschaftsaktivitäten abgedeckt werden. Da auch in einem anderen Wirtschaftssystem unangenehme Dinge erledigt werden müssen, muss deren Erledigung dadurch sicher gestellt werden, dass man sie angemessen entlohnt. Wer nicht an ihnen teilnimmt wird nicht bestraft, wer an ihnen teilnimmt, wird belohnt.

Wie genau ein Wirtschaftssystem jenseits des Kapitalismus aussehen könnte und wie man es gestalten müsste, darüber wäre zu diskutieren. Und nicht nur das. Man müsste auch experimentieren. Man müsste auch Scheitern akzeptieren. Einen Masterplan wird niemand in der Schublade haben. Gleichzeitig muss man im Hinterkopf behalten, dass ein sofortiger Zusammenbruch des Kapitalismus einen kompletten wirtschaftlichen Zusammenbruch bedeuten würde, da die gesamte gesellschaftliche Reproduktion leider an dieser Wirtschaftsform hängt. Es müssen also neue funktionierende Wirtschaftsformen schon in Keimform vorhanden sein, damit sie in naher Zukunft die kapitalistische Wirtschaftsform ablösen können.

Der Ansatz des Schriftstellers Daniel Suarez (Daemon, Darknet) scheint mir ganz brauchbar zu sein:

Die Initiative muss daher vielmehr aus dem Volk kommen - und dabei denke ich nicht an Proteste und Demonstrationen, sondern an den Aufbau und die Erprobung neuer Wirtschaftsformen, digitaler Währungen, Augmented Reality und vermaschte Open-Source-Netzwerke, die eine neue Ökonomie und damit ein soziales Geflecht schaffen, das die etablierten Mächte samt ihren selbsternannten Torwächtern und Lobbyisten eher umginge als stürzte. Solch ein System würde zunächst nur in embryonaler Form geschaffen. Es zöge immer mehr Anhänger an, die aus der bestehenden Ökonomie herausgefallen sind, und setzte sich schließlich durch, wenn eine kritische Masse sich dem neuen System angeschlossen hätte. Man könnte sich auch eine Übergangsphase vorstellen, in der die Menschen mit einem Bein in der alten und mit dem anderen in der neuen Ökonomie stünden, so dass der Übergang nicht so abrupt ausfiele. Man stelle sich nur einmal vor, wie viele gut ausgebildete Menschen es gibt, die gerne einen Neuanfang in einer Welt wagten, in der ihre Schulden - die Erbsünde der freien Märkte - getilgt wären. Entscheidend ist, dass die Verantwortung für Aufbau und Erhaltung der Netzwerkknoten bei einzelnen Gemeinschaften liegt. Für die vernünftige Regulierung sorgt dann eine Gesellschaft, deren Bürger die physische Kontrolle über ihre Infrastrukturnetze ausüben.

Eine spannende Frage ist weiterhin, ob man so ein Wirtschaftssystem mit oder gegen die politische Klasse durchsetzen muss.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

lebowski

Ein Leben zwischen Faulenzerei und Leiharbeit.

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