"They don't really care about us"

Blockupy Nach einem erfolgreichen ersten Protesttag lässt die Polizei die Abschlussdemonstration in Frankfurt nach wenigen hundert Metern eskalieren
Frankfurt, 13 Uhr: Der Kessel steht.
Frankfurt, 13 Uhr: Der Kessel steht.

Sebastian Dörfler

Jetzt haben sie es doch wieder geschafft, dass man nur über den Polizeieinsatz redet. Und nicht über die Kritik am Kapitalismus, die noch am Tag zuvor erfolgreich an verschiedenen Orten Frankfurts symbolisch aufgezeigt wurde. Kaum war die Blockupy-Demonstration am Samstag 500 Meter gelaufen, sprengte die Polizei den Zug und kesselte knapp 1000 Leute des antikapitalistischen Blocks in einer Straßenschlucht ein, auf der Rückseite des Frankfurter Schauspiels. Eine Hundertschaft Polizisten hatte bereits an der Ecke Hoftstraße/Neue Mainzerstraße gewartet, nicht weit von der Europäischen Zentralbank. Doch dorthin sollte der Demozug heute nicht mehr gelangen.

Ein Polizeisprecher, den ich am Rande des Kessels nach dem Anlass dieser Aktion fragte, sprach zunächst von der Vermummung der Teilnehmer. Wahrscheinlich meinte er damit die Sonnenbrillen und die Regenschirme, die die Demonstranten bei sich trugen. Als dann ein Kollege des Hessischen Rundfunks fragte, ob es vielleicht auch an den zwei, drei Leuchtkugeln lag, die aus dem Block flogen, antwortet der Sprecher zunächst, er habe davon gar nichts mitbekommen. Doch kurz darauf wurden jene Leuchtkugeln zum Anlass Nummer Eins für den Kessel. Also: Irgendwas findet sich immer.

"Werdet Mensch!"

Die FAZ vermutet, dass der Einsatz der Polizei mit den M31-Protesten aus dem vergangenen Jahr zu tun haben könnte. Die Polizei ist diesbezüglich noch immer auf der Suche nach einigen Personen. Und der heute attackierte Block, den das Bündnis "ums Ganze" stellte, war bereits Organisator des M31-Protestzugs.

Die Polizei crashte also den Demonstrationszug mit mehreren tausend Teilnehmern und kesselte ein paar hundert Leute ein. Zuerst kam die Ansage, dass dieser Teil wegen Paragraph 19, Absatz 4 des Versammlungsgesetzes von der Demo ausgeschlossen sei (der besagt: "Die Polizei kann Teilnehmer, welche die Ordnung gröblich stören, von dem Aufzug ausschließen"). Mehrfach wies sie darauf hin, dass der restliche Teil der Demo weiterziehen könne. Das wollte aber niemand. Und so begann das große Warten.

Es gab einige schöne Szenen: Die Leute aus dem Schauspielhaus Frankfurt seilten immer wieder neue Wasserflaschen an der Hauswand herunter, was die Sprecherin des Lautis dankbar quittierte: "Klappt doch mit der Selbstorganisation". Und an die Polizei gerichtet: "Das könnt ihr übrigens auch: wartet einfach nicht mehr auf Befehle, sondern entscheidet in eurer Bezugsgruppe einfach, zu gehen… werdet Mensch!" Kurz darauf dröhnte Michael Jacksons "They don't care about us" aus den Boxen. Dann gab es sogar noch eine gute Nachricht, die ebenfalls verkündet wurde. Nämlich, dass sich die türkische Polizei aus dem Park in Istanbul zurückgezogen hätte. Jubel.

Keine Kompromisse

Doch gegen 17.30 rückte die deutsche Polizei immer näher und zog sich die nächsten Stunden eine Person nach der anderen aus dem Block, unter dem Einsatz von Pfefferspray, Fäusten und Schlagstöcken – um die Personalien festzustellen. Es gab mehrere Schwerverletzte, darunter auch ein Journalist.

Hannig Voigts berichtet in der FR, wie die Einsatzleitung den Kompromiss, die Demo bei abgelegter Vermummung wieder fortzusetzen, nach einem Gespräch mit dem hessischen Innenministerium wieder aufgekündigt habe. Das deckt sich auch mit den Aussagen von Katja Kipping, die bei Gesprächen mit der Einsatzleitung keinerlei Kompromissbereitschaft feststellen konnte. Sie wurde als erste aus dem Kessel abgeführt, nachdem die Verhandlungen gescheitert waren.

Während dieser Einsatz die nächsten Tage wieder aufgearbeitet wird, bleibt das ungute Gefühl, dass mensch in der Krise zwar fleißig kritisieren darf – aber eben nur, solange diese Kritik niemand auf die Straße trägt.

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