USA läuten neues Wettrüsten ein

Cyber-War Obamas Rede vom 17.01.2013: Statt Partnerschaft, Handel und Abrüstung, eine Cyber-Kriegserklärung und Anspruch auf unangefochtene Sonderstellung in der Welt

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Barack Obama während seiner Rede zur NSA am 17.01.214
Barack Obama während seiner Rede zur NSA am 17.01.214

Foto: Marc Wilson/ AFP/ Getty Images

US-Präsident Obamas Rede stellt nicht nur den Start eines Wettrüstens dar, sondern auch eine Kriegserklärung an andere, die es wagen sollten, selbst die gleichen Maßnahmen der Cyberspionage und des Cyberwar zu ergreifen.

Wieder einmal wurde eine historische Chance vertan. Die Chance, vor einem Wettrüsten mit neuen Kriegswerkzeugen, schon eine Vereinbarung über Zurückhaltung beim Aufrüsten, zu finden. Mit der Rede des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama am 17.01.2014 wurde eine neue Ära des Rüstungswettlaufs eröffnet (Wir sind die guten Spione). Nur dass diesmal mangels eines klaren Feindbildes die globale Gesellschaft das Ziel ist. Mit der Behauptung der Unausweichlichkeit eines allwissenden Überwachungssystems als Maßnahme zur "Nationalen Sicherheit" durch die USA wurde für alle Nationen der Welt das Startsignal zum Cyberwar-Wettrüsten gegeben.

Obama predigt also Aufrüstung statt Abrüstung zur Lösung der globalen Probleme. Damit ist nicht nur die Hoffnung auf eine etwas weniger kriegerische Welt, sondern auch die Hoffnung auf das Lösen des Hungerproblems und der Verelendung von großen Teilen der Welt wie Sand zwischen den Fingern zerronnen.

Statt Zurückhaltung und internationale Vereinbarungen zur Beschränkung zu verkünden, hat sich der amerikanische Präsident dazu entschlossen, zu drohen. Wer nicht zu den unmittelbaren Freunden gehört, wobei nicht genau klar wurde, was er damit meinte, muss sich darauf einrichten, mit allen technischen möglichen Mitteln elektronisch ausspioniert zu werden. Gerade so, als ob die USA keine wirtschaftlichen Probleme hätten, wurde so ein neues Wettrüsten offiziell gestartet. Ein Wettrüsten, das darüber hinaus autoritären Staaten die Legitimation geben wird, selbst nicht nur die eigenen Bürger, sondern auch die ganze Welt in ihr Cyberspionage-Programm einzuschließen.

Bedrohung nicht nur durch NSA & Co

Die Bedrohung für die noch einigermaßen freie Gesellschaft resultiert nicht nur aus dem latenten Überwachungsstaat, der sich langsam, aber sicher im Windschatten eines beliebig interpretierbaren "Krieges gegen den Terrorismus" aufbaut, sondern aus der Tatsache, dass Mann oder Frau nie weiß, von wem er gerade ausspioniert wird.

Obama erklärte, an das "Besondere" zu glauben, das die USA ausmacht. Er scheint auch daran zu glauben, dass die wirtschaftlichen Fähigkeiten ausreichen werden, die ganze Welt ausspionieren und sich gegen Cyber-Spionage der ganzen Welt erfolgreich zur Wehr setzen zu können. Wobei allerdings gesagt werden muss, dass sich die USA vorbehält, einen Cyber-Angriff mit echten Waffen zu beantworten. Deshalb stellt die Rede vom 17. Januar 2014 nicht nur den Start eines Wettrüstens dar, sondern auch eine Kriegserklärung an andere, die es wagen sollten, selbst die gleichen Maßnahmen zu ergreifen.

Das ist auch der Grund, warum diese Rede gleichzeitig eine Absage an konventionelle und nukleare Abrüstung war. Denn gezwungen zur Cyberspionage werden sich nun alle Länder tunlichst darauf vorbereiten, auch einen Schlag mit konventionellen Waffen beantworten zu können.

Verstärkung der Konflikte statt Kooperation

Wenn die Regierung der USA erklärt, dass auch Hacker, die die USA angreifen, legitimes Ziel militärischer Aktionen sein können (Das Wettrüsten im Cyberspace beginnt), müssen sich natürlich die Mitarbeiter der NSA und anderer Dienste darauf einstellen, dass sie nun ebenfalls, auch als Zivilisten, legitimes Ziel von Anschlägen durch jene sind, die sie ausspionieren. Auch eine Expertengruppe der Nato-Gruppe hat mit dem Tallinn Manual ein "Handbuch des internationalen Rechts für die Cyber-Kriegsführung" ausgearbeitet, nach dem es ebenfalls völkerrechtlich erlaubt sein soll, Cyberangriffe mit wirklichen Waffen zu beantworten.

Damit werden die Spannungen in der Welt gesteigert. Wieder einmal wurde eine Chance vertan, internationale Rüstungskontrollvereinbarungen voran zu bringen. So wie bei der Aufrüstung mit Drohnen und schon bald mit voll-autonomen Kampfsystemen ist nun wieder die USA wieder Vorreiter im Aufrüsten.

Normale Menschen zwischen den Fronten

Denkt man einen Schritt weiter, kann ab sofort jeder Internetnutzer als Kombattant und legitimes Ziel von Cyberspionage und Cyberwar werden. Nur dass ihm der Schutz der Genfer Konvention fehlt, denn er trägt seine Waffen nicht offen und ist nicht von Zivilpersonen unterscheidbar. Das ist die logische Fortsetzung der Rede von Obama. Und was für die USA legitim ist, kann für andere Staaten nicht illegitim sein. D.h. jeder Mensch in dieser globalen Gesellschaft findet sich plötzlich im Fokus aller Mächte dieser Welt als legitimes Ziel der Ausforschung, Spionage und Ermordung, sollte er als Bedrohung im Cyberwar angesehen werden.

Die logische Schlussfolgerung ist, dass die Menschen nun berechtigt und aufgefordert sind, zur Selbstverteidigung zu schreiten. Gesellschaften sind träge, und manche Entwicklungen der Befreiung haben Hunderte von Jahren gedauert. Denn immer gab es auch Profiteure von Unterdrückung und Unfreiheit. Auch auf Grund der Verlockungen der schönen bunten Konsumwelt wird es wohl nur ein kleiner Teil von Aktiven sein, die anfangs ihre Konsequenzen ziehen. Aber sie sollten sich darauf vorbereiten, dass es irgendwann zu einer großen Bewegung kommen wird. Dann wenn den Menschen erst bewusst wird, was die Rede von Obama ausgelöst hat, kann sich schnell die öffentliche Meinung ändern und ein Nachfragetsunami nach Schutz vor dieser neuen Bedrohung entstehen. Dagegen wird der Bauboom von Atombunkern während des kalten Krieges lächerlich gering erscheinen.

Überwachungsstaat versus Überwachungsgesellschaft

Vielleicht muss der Begriff "Überwachungsstaat" neu definiert werden. Denn wir leben im Zeitalter der globalen Überwachung. Statt Überwachungsstaat müsste es im 21. Jahrhundert "Überwachungsgesellschaft" heißen. Durch die Rede Obamas wird eine Schleuse geöffnet, die staatlichen Spionage ungehemmt und grenzenlos legitimiert. Und wer spioniert, der nutzt die Daten.

Der nächste logische winzige Schritt ist die Manipulation von Daten. Und wer dies als Verschwörungstheorie abtut, sollte mir sagen, welcher Krieg der letzten 40 Jahre nicht auf falschen Informationen basierte bzw. mit gefälschten Informationen legitimiert wurde.

Der Durchbruch für Darknets

Die Rede Obamas sollte der Startschuss für alle Aktivisten dieser Welt sein, sich durch geschlossene Netzwerke vom Internet abzukoppeln. Das Wissen über Darknets muss von Cyber-Aktivisten massiv verbreitet werden, und fertige Schubladenlösungen müssen auch denen zur Verfügung stehen, die nicht als Nerds im Netz unterwegs sind. In diesem Sinne ist das im Artikel Pragmatischer Widerstand gegen NSA und Co vorgestellte Konzept ein Anfang. Aber ihm müssen Aktivitäten aus der ganzen Netzgemeinschaft, unabhängig von politischen Einstellungen, folgen. Bei dieser Selbstverteidigung geht es nicht um Rechts oder Links, geht es nicht um Nationalitäten. Hier geht es um die Mitglieder der globalen Gesellschaft und ihr Recht auf informationelle und allgemeine Selbstbestimmung.

Die Überwachungsgesellschaft zu verhindern wird die größte Herausforderung sein, vor denen die Zivilgesellschaft seit ihrer Entstehung steht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

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