Zu dieser Volksabstimmung kam es eher zufällig. Als im Mai ein neuer Präsident gewählt wurde, erhielt der parteilose Kandidat Paweł Kukiz, ein bekannter Sänger, im ersten Wahlgang 21%. Er hatte sich als Anti-Establishment-Kandidat inszeniert und konnte vor allem Protestwähler mobilisieren, musste aber den amtierenden Präsidenten Bronisław Komorowski (parteilos, unterstützt von der Regierungspartei PO/ 34%) und Andrzej Duda (PiS/ 35%) passieren lassen. Zu Kuikiz' Forderungen gehörten die Abschaffung des Verhältniswahlrechts und der staatlichen Parteienfinanzierung. Von beidem profitierten die aus Sicht von Kukiz viel zu zahlreichen Parteien! Um im zweiten Wahlgang möglichst viele der Kukiz-Stimmen für sich zu gewinnen, setzte
, setzte Noch-Amtsinhaber Komorowski ein Referendum an, bei dem über das Wahlrecht, die Parteienfinanzierung und ein vereinfachtes Steuerecht abgestimmt werden sollte. Geholfen hat es nichts – Komorowski verlor trotzdem, Das Referendum allerdings, einmal anberaumt, muss nun stattfinden. Kukiz hat im Vorfeld zu einer großen Kampagne für das Mehrheitswahlrecht ausgeholt. Nicht zur Freude führender Politiker der rechtskonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), der auch Andrzej Duda angehört, sie haben angekündigt, nicht an der Abstimmung teilzunehmen. Die liberale „Bürgerliche Plattform“ (PO) von Komorowski und Premierministerin Ewa Kopacz befindet sich dagegen in einer tragikomischen Zwickmühle. Einem älteren Programm zufolge ist die Partei für alle drei Punkte. Vor allem in den ersten zwei Fragen sind führende Politiker der Partei aber eher für den Status quo. So ist auch ein aktuelles Interview mit Komorowski selbst zu verstehen, in dem er seine Vorliebe für das deutsche Wahlsystem ausdrückt. Also für eine Mischform aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Da die Senatoren der PO das Referendum aber dezidiert bewilligt haben, kann die Partei jetzt auch kaum dazu aufrufen, den Urnen fernzubleiben. Daher versucht die PO das Thema so gut wie möglich totzuschweigen. Der POLITYKA sagte ein führender, nicht namentlich genannter Politiker der Partei, er gehe nur zur Abstimmung, damit nachher kein Journalist sagen könne, er wäre nicht hingegangen. Die Entscheidung das Referendum anzusetzen bezeichnete er überdies als den größten Fehler in Komorowskis Amtszeit.Dass die Wahlbeteiligung von 50% erreicht wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Falls es doch dazu käme und gegen die staatliche Parteienfinanzierung gestimmt wird, könnte dies auch katastrophal für die polnische Linke werden. Für die im Oktober anstehenden Parlamentswahlen hat die zersplitterte Linke ein Wahlbündnis organisiert. Schon beim jetzt geltenden Verhältniswahlrecht wird es ihr schwer fallen, ins Parlament einzuziehen.Referenda sind in Demokratien bislang vor allem über ausgearbeitete Reformvorschläge und zu besonders gewichtigen Fragen abgehalten worden. In Polen etwa wurde 1989 über eine neue Verfassung abgestimmt, das letzte mal über den EU-Beitritt. Komorowski hat das Referendum nun neu erfunden als spontan einsetzbares Instrument im Wahlkampf. Hat er damit die politische Kultur seines Landes bereichert? Es sieht nicht so aus. Er hat nicht nur die Pluralität der Parteienlandschaft in Gefahr gebracht. Er wurde auch nun auch für seinen Nachfolger Andrzej Duda zum schlechten Vorbild. Duda will ebenfalls ein Referendum abhalten, das noch offensichtlicher einen parteipolitischen Zweck verfolgt. Parallel zu den Parlamentswahlen am 25. Oktober will er ein Referendum über ebenfalls drei Fragen abhalten. Davon beziehen sich zwei auf zentrale Programmpunkte der PiS: ob das Renteneintrittsalter von 65 Jahren auf 63 Jahre gesenkt werden soll und ob die Schulpflicht erst nach Vollendung des siebten Lebensjahres, statt nach dem sechsten gelten soll. Die polnische Presse schließt nicht aus, dass der Senat das Referendum genehmigt. Da die PO darin eine Mehrheit hat, müsste über den Wortlaut der Fragen noch verhandelt werden.Über die Legitimität von Komorowskis Referendum kann vielleicht gestritten werden. Das Referendum wirkt zu sehr wie eine Meinungsumfrage und nicht wie eine politische Richtungsentscheidung: Es wird über irgendwelche Fragen abgestimmt und nicht über ausgearbeitete Gesetzesvorschläge. Verfassungsrechtler bezweifeln zudem, ob das Wahlrecht durch einen Volksentscheid geändert werden kann. Daher gilt die Abstimmung vor allem als sinnloses Theater. Präsident Duda geht jedoch einen Schritt weiter. Zum Wahlzettel will er einen als Referendum getarnten Werbeprospekt seiner Partei geben. Das riecht nach beabsichtigter Wahlmanipulation. In Polens noch junger Demokratie gibt es eine von den sozialdemokratischen und liberalen Präsidenten begründete Tradition, der zufolge sich das höchste Amt im Staate parteipolitisch neutral verhält. So sind die Präsidenten Kwaśniewski (1995-2005) und Komorowski (2010-2015) mit Amtsantritt aus ihrer Partei ausgetreten. Das von Duda geplante Referendum zeigt leider auch, dass der neue Präsident an diese Tradition nicht anknüpfen will.