Der abgekürzte Weg zur Pauschalbeschimpfung

PIIGS-Staaten In der Öffentlichkeit wird regelmäßig die Abkürzung "PIIGS" für die fünf "Krisenländer" der EU benutzt. Dies ist abwertend, pauschalisierend, und vor allem beleidigend

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Portugal. Italien. Irland. Griechenland. Spanien.

Es wäre vielleicht eine spannende Aufgabe, zu versuchen, eine Tagesausgabe irgendeiner Qualitätszeitung (off- oder online) seit 2010 zu finden, in deren Politik- oder Wirtschaftsteil keines dieser Länder vorkommt. Oder wo das Wort „Schuldenkrise“ nicht zu finden ist. Oder auch, wo die fünf erwähnten Staaten nicht unter dem Wort „PIIGS“ firmieren. Denn genau aus der oben vorgegebenen Reihenfolge wird diese Abkürzung gebildet. „PIIGS“ wie „pigs“, „Schweine“ oder „Säue“ also.

Dass diese beleidigende und pauschale Abkürzung kein Zufall ist, erklärt sich schon aus der gewählten Reihenfolge. Warum steht Portugal und nicht das meist erwähnte Griechenland als Erstes? Oder eigentlich – Irland, die wurden doch als erste der fünf von den Folgen der Finanzkrise (die zu einer Schuldenkrise des Staates führte) erfasst? Eigentlich wird Portugal ansonsten im Rahmen des Themas am seltensten erwähnt. Oder Italien – dort ist zwar die Situation der Wirtschaft und der Schulden am ehesten unter Kontrolle – doch die Folgen wären für den Euro am größten. Warum nicht eine chronologische, oder eine alphabetische Folge, die zu einer Abkürzung führen könnte? Warum kein „GIIPS“ - weil an an „Gips“ („schwaches, leicht wasserlösliches Material“) oder an „Gypsies“ („Zigeuner“) erinnert? „SPIIG“, „PISIG“ oder „SIPIG“ kann man doch genauso gut aussprechen (was oft eine Motivation von Abkürzungs-Createure ist).

Nein, der Grund ist, daß man mit dieser „Schweine“-Abkürzung diese Länder beschimpfen und brandmarken möchte. Genauso wie wenn man einen einzelnen Menschen als „Schwein“ beleidigt – und dabei an Schmutz, Matsch, Unordnung, Ekel, Gestank hinweisen möchte. Oder - „zu fett, wie ein Schwein“. Oder an einen „Saustall“ - so möchte man mittels „PIIGS“ die fünf Länder definieren. Und dabei – wie bei den meisten Beschimpfungen – festlegen, dass man selber eben kein „Schwein“ sei, dass man in keinem „Saustall“ sich im Schmutz wetzt. Dass man selber sauber ist. Und man stellt sich ungern die Frage, ob denn die „Schweine“ nicht auch deswegen so „schmutzig“ sind, weil man sie in ein enges Käfig gepfercht hatte, welches nur selten geputzt wird.

Es ist auch unwichtig, wann genau und von wem als Autor diese „PIIGS“-Bezeichnung entstand. Der Punkt ist, dass sich diese beleidigende Pauschalisierung auch dank vieler „Weiterleiter“, vieler „Copy-und-Paster“, vor allem auch eben in den s.g. „Qualitätsmedien“ (FAZ, SZ, ARD, Spiegel-Online) nicht nur sesshaft gemacht hatte, sondern durch diese weiter genutzt und damit propagiert wird. Vielleicht dauert es auch nicht mehr lange bis man wie bei vielen Abkürzungen aus den ursprünglich großgeschriebenen Buchstabenfolge ein „Quasi-Wort“ erschafft, wie bei „Uno“ oder „Nafta“ oder „Nato“ geschehen, nicht nur wegen der „leichteren Aussprache im Umgang“, sondern auch um die ursprüngliche Bedeutung der Abkürzung (oder daß es überhaupt eine Abkürzung ist/war) zu verdrängen. Aus „PIIGS“ werden dann zuerst „Piigs“, schließlich nur noch „Pigs“. Wunderbar.

Nicht, daß die wirtschaftliche, finanzielle und soziale Lage in den fünf Ländern rosig wäre, oder dass diese Länder nicht mit schuld an den Problemen wären. Doch all das berechtigt niemanden, diese Staaten und deren Bürger unterschwellig, aber umso tiefer zu beleidigen, erst recht nicht, wenn dies Journalisten, Politiker oder Wissenschaftler in ihren Artikeln und Interviews tun. Meine vierjährige Tochter würde zu so einem Verhalten meinen: „Wer´s saagt - is´s seelbeer!...“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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