Die Freiheit der unmöglichen Gottesdefinition

Erkenntnis Gott, sofern existent, ist vom Menschen nicht definierbar. Daraus fließt dem gläubigen Menschen eine unumschränkte Freiheit wie volle Verantwortung zu.

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Meine Definition von Gott hat was paradoxes an sich: Gott ist nicht definierbar.

Denn „Gott“ ist nach meiner Vorstellung allmächtig, allwissend, überall („allwesend“), ewig, ohne Anfang und ohne Ende, also quasi in jegliche Form und Dimension das Non-plus-ultra – wenn es Gott gibt.

Alles andere, welches unterhalb dieser Attribute definiert wäre, wäre für mich kein Gott (mehr), oder – noch kein Gott.

Ein solcher „non-plus-ultra“-Gott ist deswegen nicht definierbar, weil wir Menschen sind. Das heißt, wir sind im Vergleich zu einem solchen Gott dermaßen klein und unwissend, daß wir gar nicht die Fähigkeiten, und somit keine Möglichkeit, haben, Gott vollständig zu erkennen, zu verstehen, zu erklären, und somit – zu definieren. Wobei auch das „vollständig“ schon völlig übertrieben und anmaßend klingt. Als Vergleich: ein Mensch (oder auch „die Menschheit“ - als denkende Masse, als historisch gewachsenes „Erkenntniswesen“) verhält sich zu einem solchen Gott wie eine Ameise zu einem Menschen – ob intellektuell oder größenmäßig. Was heißt „Ameise“! - In Bezug auf Gott ist der Mensch verschwindend klein und geistig unterlegen wie eine Ameise einer Universität. Oder eine Bakterie. Man könnte diese Vergleiche weiter fast unendlich ziehen: Wie eine Bakterie zum Weltall etc. Oder – wie ein kleines Computerprogramm aus den 60ern im Vergleich zur gesammelten Linux-Programmier-Community. Was kann eine Bakterie vom Weltall wissen, erkennen, kann eine Bakterie imstande sein, dieses zu definieren? Ähnlich das kleine Programm und die Programmierer-Schar – oder ein gesätes Korn und ein erfahrener Gärtner. Beide könnten gar nicht wissen, ob und wer sie geschaffen hat, und wie dieser Schöpfer denn tickt.

Wir können Gott nicht erkennen, Gott verstehen, Gott definieren. Wir können auch nicht wissen und somit erst recht nicht verbreiten, was Gott denn von uns will, was uns verbietet, und ob es „etwas danach“ geben kann oder nicht.

Damit will ich nicht die Worte und Gedanken zahlreicher Propheten, Mystiker, Theologen und Philosophen – egal ob religiös oder atheistisch, egal in welchem Glauben angesiedelt oder „benachbart“, als Hirngespinste abtun. Es mag ja sein, daß diese Menschen etwas an Gott erkannten oder von Gott eine Nachricht, ein Wissen geschenkt bekamen, eine kleine Wahrheit – doch eben nur ein kleines Teilchen, und auch das nur auf subjektive, persönliche Weise.

Doch nicht nur viele dieser weisen und gesegneten Menschen, sondern auch sehr viele der restlichen Menschheit, maßen sich immer wieder an, Gott und dessen Eigenschaften zu verkünden. Egal ob es darum geht, daß Gott „gerecht“, „zornig“, „freiheitsliebend“, „barmherzig“, „strafend“, „weise“ oder „liebend“ sein soll, „ewig“ oder „tot“, ob Gott „Energie“, oder „eine Frau mit langem weißen Bart hoch oben im Himmel“ sein soll. Der Mensch kann es nicht lassen, Gott Attribute zu verpassen, er versucht, Gott irgendwie zu erklären und damit zu begrenzen, Gott „greifbar“ und „vorhersehbar“ zu machen – in diesem Deutungs-Job finden zahlreiche Religionen und deren Theologen & Prediger ihre Daseinsberechtigung. Sind nicht nur die Widersprüche zwischen den Religionen, sondern auch die Widersprüche innerhalb einer Religion – etwa innerhalb der Heiligen Schriften - ein Beleg dafür? (Von Widersprüchen zwischen den Propheten und Predigern ganz zu schweigen.) Einige Philosophen, sei es Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin oder Immanuel Kant haben sich gar so weit vor gewagt, einen „Gottesbeweis“ zu liefern – der sich jedoch jeweils als ein gelungener rhetorischer Taschenspielertrick erweist.

Wobei mir auch klar ist, dass auch diese von mir oben genannten Zuweisung der Attribute an Gott keinerlei Grundlagen haben – und haben können. Es ist reine Annahme, reiner Glaube. (Oder reiner Zweifel). Denn wenn Gott undefinierbar ist – sind auch meine Annahmen reine Makulatur.

Das ist für mich jedoch kein Grund zum Jammern – ein nicht definierbarer Gott. Ein nicht definierbarer Gott ist an sich ein Segen: es bedeutet, daß – egal wie im Vergleich zu Gott klein, schwach, unterbelichtet und kurzlebig ein Mensch sein mag – er (Mensch) muss sich diese Fragen alleine stellen und versuchen zu beantworten. Der Mensch kann somit die Fragen nach Gerechtigkeit, nach Freiheit, nach Brüderlichkeit und Liebe (oder jeweils nach deren Fehlen) nicht an einen Gott abwälzen, oder ewig auf ein „Wort / Tat von Oben“ warten. Die Tatsache, daß wir Gott nicht erkennen können bedeutet, daß wir die Freiheit wie die Pflicht haben, irdische Fragen, Probleme und Angelegenheiten (oder auch die des Weltalls – soweit es uns betrifft) selber anzugehen. Soweit es uns möglich ist. Dabei kann es sein, daß es Gott gibt, oder daß es keinen gibt. Es kann sein, daß wir in unseren Taten nur zum Teil, oder ganz, oder gar nicht dem entsprechen, was sich ein solcher Gott wünschen würde. Es kann auch sein, daß Gott uns mal dabei (ohne daß wir es merken) unterstützt, oder gegen uns agiert, oder wir Gott alle herzlichst egal sind. Ein nicht definierbarer Gott kann aber keine Ausrede sein - für die, die in ihren Taten & Worten sich auf Gott gerne berufen würden oder gegen ihn wettern. Ein Gott fern jeglicher Erkenntnis ist nicht nur die Grundlage eines reinen, unverfälschten Glaubens – sondern damit werden solche Gläubige den Atheisten und Agnostikern gleichgestellt, welche auch immer nur sich selbst haben – in Freiheit wie Verantwortung, in Tat und in Wort. Dostojewskis Zitat wird abgewandelt: "Wenn es einen Gott gibt, dann ist alles erlaubt."

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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