Die Überlegenheit der Aktie

Finanzethik Eine Aktienanlage ist ethisch besser als ein Sparbuch - wenn man das nötige Geld und das Verantwortungbewußtsein hat.

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Seit Jahren liegen die Sparbuch-Zinsen im Keller, ebenso bewegt sich die Rendite für Staatsanleihen im Bereich des statistischen Fehlers. Rechnet man Inflation davon ab, bleibt kaum eine positive Rendite übrig. Gold scheint mal irrational in die Höhe zu gehen, dann aber recht deutlich zu fallen. Für Immobilien, die auch eine Blase sein können, braucht man schon einen beträchtlichen Geldbetrag. Es ist daher nicht verwunderlich, daß auch in Presse und TV Finanzexperten regelmäßig dazu raten, Geld vor allem in Aktien zu stecken. Auch wenn ich weder zu solchen Finanzexperten gehöre, noch ein Lobbyist der Finanzbranche oder eines Industriezweiges bin – komme ich zum ähnlichen Schluß: Aktien sind besser als ein Sparbuch.

Meine These gründet sich allerdings nicht auf Renditeerwartungen, oder weil ich vielleicht den cool zockenden Aktieninvestor gegen den braven, biederen Sparer ausspielen möchte - sondern auf ethischen Überlegungen.

In diesen Gedanken möchte ich mich auf diese zwei so sehr unterschiedlichen Anlageformen konzentrieren – Aktie und Sparbuch. Die Gegensätze könnten kaum größer sein: hier das viel höhere Risiko, aber auch höhere, allerdings unbekannte Rendite – dort kaum Risiko (außer jemand hat mehr als 100.000 EUR in Zypern angelegt...), dafür feste Zinsen und Laufzeiten. Investmentfonds scheinen irgendwo dazwischen zu liegen – doch in Wahrheit sind diese nur eine Form von zusammen gebündelten, mehr oder weniger verstreuten, Aktienpaketen. Staats- oder Unternehmensanleihen wiederum sind mehr oder weniger fest verzinste und mit einer fixen Laufzeit ausgegebene Kredite. Gold lasse ich generell aus meinen Überlegungen einmal aus: welchen Sinn (außer man ist Goldschmied oder König Midas) sollte es haben, außer Spekulation, in ein Metall zu investieren? Genauso sehe ich Immobilien: Ein Immobilienkauf, wenn nicht zu Eigennutzung, kann nur Spekulation sein. Und erst Recht Währungsgeschäfte: diese sind reine Spekulation (außer man fährt in den Urlaub außerhalb des EURO-Raumes...).

Wie ich erwähnt hatte, geht es mir um die ethische Überlegungen und die ethische Überlegenheit der Aktie. Und wie man vielleicht schon erkennen kann, halte ich spekulatives Investieren für ethisch falsch. Sehe ich denn nicht ein, daß 99% der Aktien-Investoren die größten Spekulanten sind?

Ja, sie sind es, doch die Aktie an sich, als Anlageform und Idee, ist es nicht. Eine Aktie ist ein Anteil an einem Unternehmen, es macht den Käufer zum (Teil-)Eigentümer. Und nicht nur weil in so mancher Verfassung „das Eigentum verpflichtet“ sehe ich darin den Ansatz, eine Aktienanlage ethisch höher als ein Sparbuch zu bewerten. In dem Moment, in dem ich eine oder hundert Aktien kaufe, werde ich zum Teilinhaber eines Unternehmens – mit allen Rechten wie Pflichten. Der Aktienkauf bringt mit sich direkte Verantwortung für das Handeln des Unternehmens, „meines“ Unternehmens. Wenn mein Unternehmen die Umwelt zerstört, Arbeiter in Sweatshops ausbeutet, oder durch Oligopole und Marktmacht die Konsumenten bescheißt – bin ich verantwortlich. Es ist ja meine Firma, mein Umsatz, meine Gewinne, mein Eigentum. Und ich habe entschieden, mein Kapital da reinzustecken – egal ob es sich um BP, Facebook, oder ein kleines Startup-Unternehmen einer Freundin handelt (denn, wenn ich ihr 10.000 EUR als Kapital zur Verfügung stelle, ist es wie ein Aktienanteil). Man könnte zwar argumentieren, je kleiner mein Anteil, desto kleiner die Verantwortung – und auch meine Möglichkeiten, die Geschäftsführung zu kontrollieren. Oder mein Geld dort anzulegen, wo "faire" (oder gar keine!...) Profite entstehen.

Immerhin, als Mit-Eigentümer bin ich mitten drin.

Dann gibt es ja bei Aktien zum Glück noch das Risiko. Es liegt in meinem Ermessen und Entscheidungen, wieviel Kapital ich in welches Projekt stecke, ob ich es leichtsinnig, oder nach langer und gründlicher Überlegungen tue – für mich der Gewinn, oder für mich der Verlust. Beides kann ich nur mir anlasten – und der Geschäftsführung, die ich ja hätte kontrollieren können.

Anders als bei einem Sparbuch. Was ist ein Sparvertrag denn? In diesem Fall ist die Entfremdung und Anonymisierung zwischen mir, dem Kapital, und dem, was damit geschieht, ja viel größer. Ich gebe meine, sagen wir, 10.000 EUR einer Bank. Diese verspricht mir dafür nach x Jahren 10.000 + Zinsen auszuzahlen. Ende. Ich kann mich ja zurücklehnen. Meine Verantwortung zusammen mit dem Geld – abgeben. Und auf „sichere“ Rendite brav warten. Der Sparer, selbst wenn er wollte und wenn sein Bankberater es für ihn nachforschen wollte – wird nie erfahren, was mit seinem Geld passiert. Ob es am Ende in Ökoprojekte in Tansania fließt, oder in eine Waffenfabrik in der Tschechischen Republik. Ob die Bank – oder deren Kreditnehmer, sei es der Nachbar von nebenan oder weitere Finanzakteure – damit mit Getreide spekuliert, auf fallende Währungen wettet, oder es über sieben Zwischenfirmen auf Cayman Inseln „parkt“.

Es gibt noch einen zweiten Punkt. Der Sparer entzieht sich nicht nur gerne jeglicher Verantwortung – er pocht auf seinen „vertraglich zugesicherten“ Zins. So ist jeder, der am Stammtisch oder am Blogtisch ansonsten gerne „gegen die Banken und das Großkapital“ wettert – mit jedem Euro, den er seiner Bank überläßt – der Unterstützer dieser Geschäftspraktiken. Ich habe noch nie von einem Inhaber eines Sparkontos gehört, daß sich dieser Sorgen oder Gedanken über die Geschäftsideen seiner Bank oder über das Schicksal der Kreditnehmer macht – die Ende ja sein Geld zur Verfügung erhalten, und für „seinen“ Zins arbeiten (oder wiederum selber zocken) müssen. Die Bank selbst ist in diesem Zusammenhang nur derjenige, der eine (nicht kleine...) „Vermittlungsprovision“ einsteckt – das Geld und die „vertragliche“, unumstößliche Forderung einer Zinsrendite – die kommt vom Sparer, in dem Moment, in dem er den Vertrag zeichnet. Ich erinnere mich gut als vor ein paar Monaten während der „Zypern-Krise“ Empörung hochkochte, weil man „den kleinen Sparer“ enteignen oder ihm seinen Zins verwehren wollte. Die Empörung über die Verluste der Aktionäre, die jährlich und täglich passieren, scheinen mir nicht so laut zu sein. Nein, ich will keinesfalls die Banken oder spekulierende Aktieninvestoren in Schutz nehmen. Ich will jedoch den Sparer nicht in seiner „Un-Verantwortung“ lassen.

Ethisch gesehen scheint mir deswegen der Weg eines Aktieninvestors besser zu sein – sofern dies eine langfristige, gezielte, bewußte Anlage seines Geldes ist. Und sofern dieser sich nicht in Frage der Verantwortung ebenso autistisch wie der Sparer verhält. Oder die schlimmste Sorte – der Staatsanleihen-Anleger, der kaum Risiko angehen, aber von Schulden der (oft eigenen!) Gemeinschaft leben möchte.

Ich weiß, daß in der Praxis ein Kleinaktionär kaum einen Großkonzern kontrollieren kann, geschweige denn beeinflussen. Doch das spricht nicht gegen Mit-Eigentum in Form von Beteiligung, es spricht nur für für kleinere Firmengrößen - denn Großfirmen sind planwirtschaftlich agierende, wettbewerbs- und innovationsvernichtende Monopol-Monster.

Ich weiß auch, daß die wenigsten von uns die 10.000 EUR haben (auch ich nicht, zugegeben...), um in Aktien zu investieren. Schon die einmaligen „Operationskosten“ sind bei Aktien so hoch, daß man mit seinen 100 oder gar 1000 EUR gar nicht einsteigen kann (außer bei der Geschäftsidee der Freundin). Und auch dann wäre es eigentlich am besten, das Geld – das anscheinend „übrig“ blieb – zu spenden.

http://lukaszszopa.wordpress.com/2014/01/22/die-uberlegenheit-der-aktie/

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Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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