Klar! Der Osten sieht ROT!

Wahlplakate "Die Linke" plakatiert: „Der Osten wählt rot. Klar!“ Überall? Nein, nicht überall. Damit fördert sie eine Teilung des Landes - gegen den Wähler und sich selbst.

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Im Verlauf des diesjährigen Plakatwahlkampfes ist mir „Die Linke“, neben „Den Grünen“ und „Den Piraten“, sehr sympathisch aufgefallen – durch Texte. Genauer genommen: durch die Menge und den Anteil des Textes am Plakat im Vergleich zu Plakatgesicht am selbigen. Denn seltsamerweise gehöre ich zu der altmodischen Sorte des Wählers, der sich einbildet, Programme statt Passfotos im A0-Format wählen zu wollen. (Ja, ich weiß, wären es wirklich biometrische Passfotos, würde es die Wahlbeteiligung erheblich senken...). Die Texte sind zwar nur Slogans – doch klar erkenntlich als sachliche politische Programmvorschläge, quasi getwitterte Punkte des Wahlprogrammes.

„Die Linke“ bietet sogar mehr Text als „Die Grünen“, und zwar weniger als „Die Piraten“ - dafür in einer Schriftgröße, die lesbar ist. „Die Linke“ scheut nicht einmal vor Zahlen zurück, seien es 10 oder 1050 Euro.

Genug des Lobes. Es gibt nämlich ein einziges Plakat „Der Linken“, welches mir nicht nur mißfällt, sondern sogar richtig ärgert. Und zwar: „Der Osten wählt rot. Klar!“ Und meine Kritik beschränkt sich nicht auf die etwas verunglückte, sprachlich eher unnatürliche Aneinanderreihung der beiden Sätze. Es geht vor allem darum, was damit gesagt werden soll.

Fangen wir damit an, was hier mit „Osten“ gemeint ist. Ich verkürze: wohl nicht der geographischer Osten Deutschlands, etwa Salzgitter oder München, und auch nicht die östlichen Teile von Hamburg oder Frankfurt am Main. Man könnte auch eine Untersuchung durchführen, wo denn solche Plakate aufgehängt wurden – ich gehe jede Wette ein, daß 99% davon in der „ehemaligen DDR“ - auch „die neuen Bundesländer“ genannt. Oder war es doch ein Versäumnis meinerseits, in den letzten drei Wochen kaum den Norden, den Westen, und den Süden Deutschlands besucht zu haben – und sind mir so etwa Plakatversionen wie „Der Westen wählt rot. Klar!“, „Der Norden wählt rot. Klar!“, und „Der Süden wählt rot. Klar!“ entgangen?

Es ist offensichtlich, daß „Die Linke“ diese Plakate nur dort aufhängen läßt, wo für sie „der Osten“ noch existiert. Damit begeht diese Partei aus meiner Sicht mehrere Fehler.

Erstens geht sie davon aus, daß Deutschland immer noch in „Osten“ und „Westen“ politisch, soziologisch, kulturell, vielleicht sogar ethnisch geteilt ist. Oder sie wünscht sich das offensichtlich.

Zweitens, man unterstellt dem potenziellen Wähler dieser Gegenden, ebenfalls so zu denken. Der Slogan, auch ohne dem „Klar!“, soll den Wähler sogar darin bestärken, an eine solche Teilung zu glauben. Und Worte schaffen zwar keine Realitäten, doch wiederholt und plakatiert können Worte durchaus Sichtweisen beeinflussen oder gar kreieren – also „Realitäten im Kopf“ des Einzelnen.

Drittens, mit dem Spruch und dem Wahl der Plakathängeplätze tut die Partei genau das, was die politischen Gegner seit Jahrzehnten mit ihr tun und versuchen – sie drängt sich selber in das „Osten-Ghetto“, oder schöner gesagt: sie regionalisiert sich freiwillig. Anstatt wie ursprünglich gewünscht eine gesamtdeutsche Partei zu sein.

Schließlich, viertens, ist das Plakat – auch wenn es Versionen mit anderen geographischen Richtungen gäbe – an sich nicht zielführend, vielleicht sogar wahldemotivierend. Wenn „der Osten“ - wie hier behauptet – ohnehin „rot wählt“ (und zwar „klar!“) - wozu dann das Plakat???

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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