Für die Union hat sich eine Allianz mit der FDP wegen der parlamentarischen Verschwindsucht des bisherigen Partner erledigt. Eine Koalition mit der SPD hingegen kommt locker auf fast 80 Prozent der Mandate im Bundestag. So können sich jetzt Sozial- und Christdemokraten zurufen: Lasst uns das Kriegsbeil begraben. Wir nehmen zurück hüben und drüben, was denn zurückgenommen werden muss. Viel ist es sowieso nicht. Brüder, in eins nun die Hände und den Klamauk von gestern verlacht.
Das Veto von Angela Merkel gegen das Ansinnen der FDP, sich mit Zweitstimmen aus dem Unionslager das bundespolitische Überleben zu sichern, hatte das schwarz-gelbe Miteinander zuletzt bereits in den Geruch eines Auslaufmodells gebracht. Es gab weder Verständnis noch Mitgefühl mit Parteichef Rösler und dem Spitzenkandidaten Brüderle, sondern nur einen schroffen Bescheid, so nicht: Im Bund kein zweites Hannover.
Seehofer ausbremsen
Es kann einer an diesem 22. September offenbar bestätigten Kanzlerin Schlimmeres passieren, als auf eine Koalition mit der SPD angewiesen zu sein, wenn sie bleiben will, was sie ist. Nach den Vorstellungen der Wirtschaft, der Unternehmerverbände, des bürgerlichen Lagers, der technokratischen Eliten in diesem Land gibt eine solche Allianz innere Stabilität. Wie viel dabei von der SPD übrig bleibt, wird die Union nicht weiter interessieren.
Mit den Sozialdemokraten bekäme Merkels Euro-Krisenmanagement – auch wenn es diese Bezeichnung kaum verdient – mehr Rückhalt und würde vielleicht europäischer. In der Energiepolitik können SPD und CDU mehr miteinander anfangen, als dass bei der FDP und den Christdemokraten der Fall war. Beim Mindestlohn wird sich ein Kompromiss finden lassen
Man wird sich zudem erinnern, dass es schon einmal funktioniert hat. Der zwischen 2005 und 2009 regierenden großen Koalition ist es gelungen, in einer Weltfinanzkrise den globalen Konjunktureinbruch durch ein staatliches Konjunkturprogramm abzufedern. Deutschland ging weniger auf ökonomische Talfahrt als andere in der EU, was sich bis heute bemerkbar macht.
Und noch einen Vorteil gäbe es für Angela Merkel: Wollte sie die SPD ins Regierungsboot holen, könnte sie die bundespolitischen Ambitionen der CSU und ihres Chef besser einhegen. Horst Seehofer wäre dazu eingeladen, an der Berliner Einheitsfront ehrenvoll abzuprallen und einen Rückzug anzutreten. Gegen die CSU kann Angela Merkel gar nichts Besseres passieren als die SPD.
Das Nächstliegende
Das Land, die Gesellschaft wären mit einer großen Koalition in ihrem Beharrungsvermögen und Sicherheitsdenken auf das Nächstliegende gebracht. Um es mit Theodor Fontane zu sagen: „Der Brombeerstrauch hat eben nur seine Beeren. Aber auch sie können den durstigen Wanderer erfrischen“. Sollen sie doch bitteschön. Die große Koalition ist ein Rohmaterial, das sich freilich formen und modellieren lässt wie kaum ein anderes. Und seien wir ehrlich, mit einer gerupften FDP weiter zur regieren, hätte Merkel kaum in Entzücken versetzt.
Auch wenn das Kabinett der vergangenen vier Jahre zur erfolgreichsten Bundesregierung seit 1990 verklärt wurde, galt dieser Euphemismus mehr der Regierungschefin als der koalitionären Ertragslage, über die man sich trefflich streiten kann, wenn sie denn überhaupt auszumachen ist. Merkel fühlte sich schwer brüskiert, als sie 2012 Joachim Gauck als Bundespräsident verhindern wollte, damit aber bei den Freien Demokraten, speziell ihrem Vorsitzenden, auflief und sich ins Unvermeidliche fügen musste – die nochmals aufgeschobene Modernisierung des Präsidentenamtes. Mit ihrem Anti-Gauck Klaus Töpfer war Merkel allen voraus, nicht nur der FDP, auch SPD und Grünen, die sich selten so ins Gestrige und Ideologische verirrt haben wie mit der Personalie Gauck
Was macht Steinbrück?
Die SPD-Basis wie den ganzen Parteiapparat wird ein mögliches Regieren mit der Union fragen lassen: Warum haben wir überhaupt Wahlkampf geführt? Peer Steinbrück will als vermeintlicher Merkel-Antipode bekanntlich "auf dem Fahrersitz" bleiben. Das könnte bedeuten, dass er eine Koalition mit aushandeln will, wie es schon 2005 der seinerzeit unterlegene Gerhard Schröder getan hat, das sieht besser – weil nicht nach Kapitulation aus – und treibt die Preise nach oben. Zumindest ein bisschen, weil Angela Merkel mit ihrer 311 Mandaten im Rücken aus einer Position der Stärke heraus verhandeln wird.
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