Folklore im Bundestag

Mali-Mandat Das deutsche Parlament entscheidet über einen weiteren Auslandseinsatz der Bundeswehr. Wie schon bei Afghanistan fehlt allerdings eine plausible Exitstrategie
Verteidigungsminister Thomas de Maizière mit Außenminister Guido Westerwelle vor der Kabinettsentscheidung über die zwei Mandate für den Mali-Einsatz der Bundeswehr am 19.02.2013
Verteidigungsminister Thomas de Maizière mit Außenminister Guido Westerwelle vor der Kabinettsentscheidung über die zwei Mandate für den Mali-Einsatz der Bundeswehr am 19.02.2013

Foto: Adam Berry/ AFP/ Getty Images

Ob sie es wollte oder nicht, spätestens seit der Intervention in Mali musste die Bundesregierung ihren Arm um den französischen Waffenbruder legen. Gemeinsame Paraden auf den Champs Elysée oder Manöver der deutsch-französischen Brigade – alles Trockenübungen. Wer gerade 50 Jahre Elysée-Vertrag feiert, muss die Entente cordiale im Wüstensand pflegen. Das gebietet die Staatsräson, über die Kanzlerin Merkel bei anderer Gelegenheit gern redet. In diesem Fall blieb sie zunächst stumm wie ein Fisch, auch wenn klar war, dass allein das Ausmaß der Interventionsassistenz zu hinterfragen war – nicht der Anlass. Es gab skurrile rechtliche Glasperlenspiele, die Präsident François Hollande nur mäßig in Entzücken versetzten. Etwa wenn von Paris erbetene deutsche Tankflugzeuge nicht wie gewünscht in den Himmel über Mali stiegen, weil ihnen die gebotene TÜV-Vignette fehlte, um Jets der Franzosen mit Treibstoff zu versorgen. Aber dass Deutschland bei einer militärischen Befriedung Nordafrikas den sich in alter Kolonialherrlichkeit aufbauenden Franzosen zur Hand gehen würde, stand nie ernsthaft in Frage. Schließlich hatte Verteidigungsminister de Maizière schon im Herbst verkündet, dass die Bundeswehr Ausbilder nach Mali entsenden und sich in einer Region exponieren wolle, in der die Arabellion seit 2011 die Landschaft pflügt: Umbrüche in Tunesien und Ägypten, der durch die NATO von außen forcierte Regime Change in Libyen, der Putsch in Mali gegen Präsident Touré im März 2012. Ein Tableau gewichtiger Tatsachen, von denen sich der Westen herausgefordert fühlt. Stört es deshalb die Mehrheit des Bundestages nicht weiter, beim Beschluss über Mali-Mandate für die Bundeswehr vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden? Den Einsatz von 450 EU-Militärberatern, darunter 180 aus Deutschland, haben bekanntlich schon die EU-Außenminister beschlossen. Beim Versand eines Feldlazaretts samt Personal steht der zuständige Minister im Wort. Schließlich dürfen auch die inzwischen offenbar TÜV-zertifizierten Tankflugzeuge mit der parlamentarischen Startorder rechnen. Das heißt, über Entscheidungen im Bundestag ist längst außerhalb des Bundestages entschieden worden.

Keine permanente Konflikteskalation

Aber demokratische Folklore muss sein. Dafür war sich das Parlament nie zu schade, wie den Voten seit 2011 über die gleichfalls als alternativlos etikettierte Eurorettungsakte zu entnehmen ist. Dabei gäbe es gute Gründe, den Beistand für geltungssüchtige Franzosen und die mit ihrer Drohnen-Macht herumfuchtelnden Amerikanern abzulehnen. Durch die sich abzeichnende westliche Militärpräsenz in Mali wird das ursprüngliche Konzept des UN-Sicherheitsrates endgültig begraben. Es hielt bewaffneten Druck nur dann für sinnvoll, sollte er mit der Suche nach einem politischen Ausgleich zwischen den gegnerischen Parteien korrespondieren. Das nordafrikanische Land sollte eben nicht zum Standort permanenter Konflikteskalation werden. Die aber scheint unaufhaltsam, wenn dort ein Brückenkopf entsteht, um die jihadistischen Nachbeben der Arabellion einzudämmen und in Mali Al-Qaida-Verbände zu bekämpfen, mit denen die EU und die USA in Syrien de facto verbündet sind. Auf ein Jahr soll der deutsche Part bei dieser ambitionierten Schizophrenie begrenzt sein. Auch für alle Afghanistan-Mandate des Bundestages galt stets dieses Limit. Und ist seit Dezember 2001 wie oft verlängert worden?

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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