Kleines Boot auf hoher See

Existenzkampf Der Republik Zypern wird in der Eurozone das Recht verwehrt, sich als Finanzdienstleister trotz des drohenden Staatsbankrotts über die Zeit zu retten
Kleines Boot auf hoher See

Foto: Patrick Baz / AFP

Es hört sich so wunderbar selbstverständlich an, die zypriotischen Autoritäten sollten endlich Vernunft annehmen und schlucken, was ihnen die Euro-Finanzminister vorschreiben. Bitteschön Plan A abnicken! Und durch eine Sondersteuer auf Bankguthaben die geforderten 5,8 Milliarden Euro an Eigenleistung aufbringen! Dann gibt es die versprochenen zehn Milliarden von den Eurostaaten und dem IWF, um die Staatspleite aufzuhalten oder abzuwenden.

Warum sich in Nikosia trotzdem Resthoffnungen hingeben und auf einen Sonderfonds – auch Plan B genannt – setzen, der extreme Risiken birgt? Und die gibt es. Zum Beispiel, wenn die Rentenkassen herangezogen werden, um Sicherheiten für neu ausgegebene Staatsanleihen anzubieten. Werden die abgerufen, um auf diese Weise aufgenommene und abgesicherte Kredite zu tilgen oder Zinsen zu zahlen, kann das eine soziale Katastrophe heraufbeschwören. Zypern-Investoren und Gläubiger – wenn die sich denn überhaupt finden lassen – kennen kein Pardon. Was sie beim Erwerb der über einen solchen Sonderfonds angebotenen Bonds an Zinsen draufschlagen, dürfte sich gewaschen haben.

Die Rating-Agentur Moody's hat bereits Anfang 2013 die Kreditwürdigkeit des Landes so stark in Zweifel gezogen, dass deren Analysten den Entzug der Zertifizierung B3 für unumgänglich hielten und beim Ranking um drei Stufen nach unten gingen, um bei Caa3 zu landen. Wem das widerfährt, der hat jede Fallhöhe über dem Stadium Ramschniveau verloren und ist nicht mehr weit davon entfernt. Wozu das bei potenziellen Investoren führt, konnte im Vorjahr bei Italien besichtigt werden, als dort die Zinsauflagen bei der Versteigerung von Staatsanleihen zuverlässig jenseits der Sieben-Prozent-Marke lagen.

Zwischen Untergang und Untergang

Die Regierung von Präsident Nikos Anastasiades rudert mit ihrem Plan B in einem winzig kleinen Boot auf extrem hoher See. Aber was sollte sie sonst tun? Worin besteht der Unterschied zwischen Untergang und Untergang? Der zypriotische Staat ist Mäzen und Schutzbefohlener eines Wirtschaftsstandortes, für den es um Sein oder Nichtsein geht. Und dieser Topos hat nur als Finanzplatz eine Zukunft oder muss dem Nichts weichen.

Zypern ist in einen Existenzkampf geraten, bei dem es genau genommen um mehr geht als bei den elementaren Herausforderungen, denen Griechenland bei allen Auflagen und Selbstbeschneidungen seit 2011 ausgesetzt ist.

Welche Dimensionen im Spiel sind, lässt sich allein der Tatsache entnehmen, dass zypriotische Geldhäuser wie die Bank of Cyprus und die Laiki-Bank durch die Griechenland-Malaise bis Mitte 2012 Verluste von 4,5 Milliarden Euro erlitten haben. Das sind in etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das im Vorjahr krisenbedingt auf einen Wert unter 22 Milliarden Euro fiel.

Es wird trotz allem und gerade jetzt verzweifelt um den Status eines Finanzdienstleisters gekämpft. Weil es auf absehbare Zeit dazu keine ernstzunehmende Alternative gibt.

Eine Nische gesucht

Die deutschen Kanzlerin macht es sich leicht, wenn sie vor der Bundestagsfraktion von CDU/CSU ungerührt verkündet, Zyperns "Geschäftsmodell" sei am Ende. Nur, welche Konsequenzen hat das, wenn es kein anderes gibt, um in der Konkurrenzgesellschaft Eurozone wettbewerbsfähig zu bleiben?

Seit der türkischen Invasion und folgenden Teilung des Inselstaates im Sommer 1974 muss die Republik Zypern im Süden auf zwei Drittel der einstigen Wirtschaftskapazitäten verzichten. Bis zu diesem Zeitpunkt lag die touristische Infrastruktur zu 80 bis 90 Prozent im Norden. Die ist seit fast vier Jahrzehnten ebenso verloren und musste ersetzt werden wie der Hafen und Handelsplatz Famagusta.

Es ist nach marktwirtschaftlichen Maßstäben nicht ehrenrührig, sich bei einem solchen Aderlass nach neuen Standortvorteilen umzusehen und als Finanzdienstleister bzw. lukratives Kapitaldepot eine gute Adresse zu sein. Zypern hat seit seinem Beitritt zur Währungsunion im Jahr 2001 davon profitiert, dass es für diesen Verbund eben keine Vereinheitlichung elementarer Normen gab: beim Umgang mit Banken und ihren „Geschäftsmodellen“, bei Steuersätzen und nicht zuletzt bei sozialen Standards.

Die Republik Zypern hat sich ihre Nische gesucht, aus der sie nun vertrieben wird und die sie natürlich auch durch eigene Schuld gefährdet hat. Keine Arche Noah wird die Schiffbrüchigen aufnehmen, die Euro-Gemeinschaft oder die EU wird und will ein solches Floß nicht in Dienst stellen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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