Die verhaltene Replik sorgte für Aufsehen. Es war vor elf Jahren auf der Münchner Sicherheitskonferenz, als sich der damalige Außenminister Joseph Fischer (Grüne) dem gegen den Irak gerichteten Interventionsdrang der USA entzog und im Beisein des amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld,meinte: „I'm not convinced“ (ich bin nicht überzeugt). Was soviel hieß wie: Ich kann die Gründe nicht nachvollziehen – ich kann mich nicht mit dem identifizieren, was Sie antreibt, diesen arabischen Staat nach der „Operation Wüstensturm“ von 1991 erneut anzugreifen. Zu diesem Zeitpunkt – Ende Januar 2003 – hatte sich bereits eine „Koalition der Willigen“ vorrangig aus osteuropäischen Staaten formi
ten formiert, die der Macht- und Kriegslogik von Präsident George W. Bush folgten und später Truppenkontingente stellten. Später – das heißt, nach dem 20. März 2003, als die Aggression mit Bombenangriffen auf Bagdad begann. Sicher, daran haben sich keine deutschen Soldaten beteiligt wie im Übrigens auch keine französischen oder russischen. Doch gab es deshalb keinen militärischen Beistand? Bündnispflicht und VölkerrechtEine genaue Nacherzählung erscheint deshalb nötig, weil derzeit der Eindruck erweckt wird, Gerhard Schröder habe seinerzeit als SPD-Kanzler den Amerikanern die Treue verweigert und sei deshalb von den US-Diensten abgehört worden. In der Tat wurden keine Soldaten entsandt, die mit ins Gefecht zogen und später zur Verfügung standen, als das Land für mehr als acht Jahre unter ein Besatzungsregime fiel. Andererseits gab es während des Krieges Hilfsdienste für die US-Armee, bei denen sich darüber streiten lässt, ob sie auf eine zumindest indirekte Beteiligung an der Irak-Intervention – quasi als Beihilfe – hinausliefen. Bundeswehreinheiten schützten sämtliche Liegenschaften und Basen der US-Streitkräfte in Deutschland, die wie der US-Luftstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz als strategisches Rückgrat des Irak-Feldzuges unverzichtbar waren. Überdies gab es deutsche Soldaten in den Besatzungen der AWACS-Flugzeuge. Diese Systeme überwachten den Luftraum über den Nachbarstaaten des Irak und damit in den Randzonen der Krieges. Die rot-grüne Bundesregierung – im besonderen Kanzler Schröder – berief sich auf Allianzpflichten, die der NATO-Mitgliedschaft geschuldet seien und die man den USA als Bündnispartner nicht schuldig bleiben dürfe. Kein sehr stichhaltiges Argument, immerhin ist im NATO-Vertrag vom 4. April 1949 die Verpflichtung zur friedlichen Streitschlichtung ausdrücklich verankert. Sie hält die Mitgliedsstaaten dazu an, in Übereinstimmung mit der Satzung der UN „jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden“. Was hat die rot-grüne Bundesregierung in diesem Sinne im März 2003 unternommen? Wie hat sie beispiesweise die Mission der UN-Inpektoren im Irak gestärkt, die dort Massenvernichtungswaffen (die es nicht gab, wie sicb herausstellen sollte) auffinden sollten. Wie hat sie dieses letzte Bollwerk gegen den Krieg verteidigt? Wer heute einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat verlangt, würde überzeugender klingen, wären in seiner UN-Vita derartige Beweise für Zivilcourage und aktive Friedenspolitik verzeichnet.Deutschland hätte 2003 auf jede Form der militärischen Assistenz verzichten müssen, weil das seine Pflichten als Mitglied der Vereinten Nationen geboten – dies und nichts anderes. Und gab es nicht einen Artikel 25 des Grundgesetzes, nach dem Handlungen der Bundesregierung, des Parlaments wie auch jedes einzelnen Bürgers an die Regeln des Völkerrecht gebunden sind? Da es für den Angriff auf den Irak kein Mandat des UN-Sicherheitsrates gab, war folgerichtig auch eine Teilnahme deutscher Streitkräfte – egal wie – als völkerrechtswidriges Handeln untersagt. Die Flüge der AWACS-Systeme gehörten auf jeden Fall dazu. Sie sicherten den Krieg an seinen Flanken. Deutscher SonderwegGerhard Schröder redete 2003 des öfteren von einen „deutschen Sonderweg“, den man eingeschlagen habe und der mutmaßlich darin bestand, dass man dem Irak-Krieg mit eigenen Kampftruppen fernblieb. In Wahrheit verschleierte solches Vokabular, dass man dem Waffengang in rechtsferner Weise assistierte, statt sich jeder Art der Teilnahme zu enthalten. Es handelte sich weniger um einen „Sonderweg“ innerhalb des westlichen Beziehungssystems – sondern um einen solchen im Umgang mit dem Grundgesetz und den Normen geltenden Völkerrechts. Davon wird heute nicht mehr gern geredet, doch das Bedürfnis, eben diesen „Sonderweg“ einzuschlagen, ist eher noch gewachsen, wenn man sich nur die konzertierte Aktion der Troika – Gauck, von der Leyen, Steinmeier – vor einer Woche auf der Münchner Sicherheitskonferenz anschaut oder besser – anhören musste.