Was bin ich?

Pirat oder Piratin? Kürzlich schrieb jemand auf Twitter, der Tag, an dem alle weiblichen Piraten sich als „Piratinnen“ bezeichnen würden, wäre ein guter Tag. Das brachte mich ins Grübeln.

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Irgendwie scheue ich mich davor, mich „Piratin“ zu nennen. Warum das so ist? Bin ich mir nicht ganz sicher. In meinem Profil auf Twitter steht „Pirat“. Dort steht aber auch „Berlin“, und nicht „Berliner“ oder „Berlinerin“. Vielleicht liegt es wirklich daran, dass mir das generische Maskulinum neutraler erscheint, als das generische Femininum. Dass ich das öffentlich schreibe, erfordert gerade für mich persönlich schon eine gewisse Menge Mut. Mir ist schon klar, Sprache schafft Bewusstsein, ich habe den Vortrag von Anatol Stefanowitsch auf der OM12 auch gesehen. Und mein Bewusstsein ist da vielleicht nicht vollständig reflektiert oder sensibilisiert. Mag sein.

Ich persönlich habe mich immer mitgemeint gefühlt, wenn das generische Maskulinum benutzt wurde. Ich brauche das generische Femininum, das Binnen-I, die Sternchen oder was auch immer nicht, um mich angesprochen zu fühlen. Das ist aber nur mein eigenes Gefühl, und mir ist klar, dass ich das nicht auf den Rest der Welt projizieren kann und sollte.

In der #Inwoche, in der alle Mitmachenden sich bemühten, alle Tweets und ähnliches im generischen Femininum zu verfassen, gab es genug Leute, die es nicht so empfanden, dass mit der Benutzung des generischen Femininums auch Männer mitgemeint waren. Selbst Menschen, die die #InWoche selber mitmachten, hatten diesen Reflex. Wie empfindlich einige Männer reagierten, zeigt, dass die Nutzung der Sprache eben nicht wertneutral ist. Sprache schafft, wie gesagt, Bewusstsein.

Trotzdem, als ich dann schrieb, dass ich mich nicht „Piratin“ nennen will, war die Reaktion irritiert. Ob man mich dann als „den Pirat Fumuckel“ denken müsse? Das fand ich auch wieder verkehrt. Ich bin nicht „die Piratin Fumuckel“, ich bin nicht „der Pirat Fumuckel“. Ich bin eindeutig eine Frau. Ich habe einen weiblichen Vornamen, in meinem Personalausweiß steht, dass ich weiblich bin, wer mich sieht, nimmt mich optisch als Frau war, ich benutze die Damentoilette, mein Körper erinnert mich jeden Monat daran, dass ich zumindest theoretisch in der Lage bin, ein Kind auszutragen. Soweit, so weiblich. Und sonst so? Empfinde ich mich als Frau?

Naja, wenn man mich fragt, ob ich eine Frau oder ein Mann bin, habe ich darauf eine klare Antwort. Ich bin eine Frau, ich bin kein Mann. Aber ich bin eben nicht nur eine Frau. Die meiste Zeit am Tag bin ich Webanalyst oder meinetwegen Webanalystin. Abends bin ich oft Zocker. Oder Zockerin. Die meiste Zeit nehme ich mein Geschlecht einfach nicht bewusst wahr. Und ich mag mich eben nicht über etwas definieren, was in meiner Selbstsicht nur einen kleinen Teil meiner Persönlichkeit ausmacht. Wenn man mich fragt „Was bist Du?“ würde ich wahrscheinlich in den seltensten Momenten antworten „Eine Frau“. Wahrscheinlich nur in Situationen, in denen klar ist, dass das gerade das angefragte Selektionskriterium ist. Ansonsten bin ich eben Kassenpatient, Fahrgast, Parteimitglied, Blogger, Leser, Kunde, Betriebswirt und alles meinetwegen auch noch mal in der weiblichen Form.

Ganz schön naiv, hm? Ja, mag sein. Trotzdem mag ich mich eben nicht so stark auf nur eine Facette meines Ichs konzentrieren. Und das, obwohl ich in der PG Frauenwahlrecht aktiv bin, mich also für die Förderung von Frauen in der Piratenpartei einsetze. Aber das mache ich eben nicht aus Eigenantrieb, sondern weil ich sehe, dass es strukturelle Schwierigkeiten gibt. Für mich ganz alleine, ganz persönlich, brauche ich keine Frauen, die mich repräsentieren. Ich wüsste nicht, wieso das Geschlecht dazu führen sollte, dass ein Mensch mich besser repräsentieren kann oder eben nicht. Meine politischen Überzeugungen können ebenso von einem Mann wie von einer Frau wie von allem dazwischen oder daneben vertreten und repräsentiert werden. Mixed Teams arbeiten aber besser. Und um innerhalb der Piratenpartei mehr Mixed Teams zu etablieren, müssen wir wohl noch was an dem Frauenanteil arbeiten.

Ich bin nicht völlig unbelesen und unbewandert in dem Thema. Auch ich habe Judith Butler gelesen. Aber das kommt mir, für mich persönlich, alles so weit weg vor. Klar habe ich selber auch schon erlebt, als Frau anders behandelt zu werden, als Männer in der gleichen Situation. Auf der Arbeit war ich lange die einzige Frau im Team. Bei meinem Hobby, der Zockerei, bin ich klar in der Unterzahl. Ja, da wird man anders behandelt, und damit meine ich nicht besser. Der Verkäufer im Mediamarkt belehrt mich gerne noch mal ganz genau über die Hardware die ich kaufen will, obwohl ich ganz klar zu erkennen gebe, dass ich weiß was ich will und weiß wovon ich rede. Selbst der eigene Freund, der ganz genau weiß, dass ich meinen Rechner alleine aufrüsten, umbauen und reparieren kann, tut gerne mal so, als wäre ich nur das kleine Frauchen, das gerade mal weiß, wie man den Browser startet um auf Facebook zu chatten. Das ist mir alles begegnet. Das ärgert mich dann auch. Ich hätte auch gerne, dass sich das ändert. Aber ich will mich dafür nicht permanent als Frau definieren und verhalten müssen. Ich will mir das nicht ständig bewusst machen.

Ich bin mehr als mein Geschlecht. Aber vielleicht ist genau das der Punkt. Um als mehr als mein Geschlecht wahrgenommen zu werden, muss es normaler werden, als Frau alle möglichen Rollen spielen zu können. Und vielleicht muss genau dafür das Bewusstsein geschaffen werden, dass es eben Anwältinnen, Professorinnen und Geschäftsführerinnen gibt. Vielleicht braucht man dazu wirklich das generische Femininum. Vielleicht bin ich da zu egozentrisch, und projiziere tatsächlich mein eigenes Bewusstsein auf andere Menschen. Vielleicht ist das mein Fehler. Aber ich lerne ja noch. Und bis dahin bin ich Anika, Fumuckel, Mitglied der Piratenpartei.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maengelwesen

Anika Mangelmann / @Fumuckel

Maengelwesen

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