Die SPD und "Der Zirkus"

Freitag-Salon Diesmal ging der Salon der Frage nach, ob die SPD noch zu retten ist. Geklärt wurde die Frage aber nicht. Dafür war der Abend ganz unterhaltsam und kabarettistisch

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Heute nacht habe ich von Peer Steinbrück geträumt. Ich wollte irgendwas Handwerkliches bei ihm zu Hause veranstalten. Es hatte mit Bohrtätigkeiten zu tun, bei denen eine dünne Wand zusammenfiel. Und ich versicherte ihm, ich käme dafür auf, ich sei gut versichert. Seltsam. Es war kein Alptraum, eher ein alberner Traum, eine merkwürdige innere Illustration von Max Webers Postulat, "Politik sei das Bohren dicker Bretter". Das ist wirklich wahr, nicht ausgedacht.

Am Ende aber waren das nur die Nachwirkungen des gestrigen Freitag-Salons und von zwei Gläsern Weißwein. Ich vertrage nix mehr. Ich saß schon eine Stunde vor dem Beginn herum, hatte keine Eintrittskarte bestellt und wollte eigentlich jemanden treffen. Nun musste ich sehen, was übrig bleibt. Es blieben Karten übrig, und ich kam noch rein.

Bei der Frage, ob die SPD noch zu retten ist, ging es um die Beobachtungen des FAZ-Redakteurs Nils Minkmar, der den Wahlkampf mit Peer Steinbrück mitgemacht und seine Beobachtungen in einem Buch, das dann folgerichtig "Der Zirkus" heißt, niedergelegt hat. Darüber hat Jana Hensel vor einiger Zeit schon geschrieben. Es ging auch lustig bis fast clownesk zu zwischen Moderator Jakob Augstein und seinem Gast. Die Zuschauer amüsierten sich durchaus.

Schattenspiele

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Nils Minkmar ist durch eine Lampe verdeckt und dadurch nur als Schatten zu sehen. Ich fand das ganz lustig und wollte dort nicht herumspringen.

Augstein formulierte eine allgemeine Irritation an der SPD, die sich immer mehr verstärke, Minkmar plauderte über die allgemeine Verwirrung und Desorientierung, die die gesamte Wahlkampfkampagne der SPD bestimmt hätten.
Seltsam, beide Diskutanten vermieden bei all den Pannen, die Steinbrück passiert sind, aber vor allem bei deren Skandalisierung, peinlichst die Rolle der Medien allgemein zu thematisieren. Ja, Journalisten haben auch aufgebauscht, das schon. Aber erst kürzlich hat Jürgen Trittin in einem Beitrag für den "Freitag" darauf verwiesen, dass Medien nicht Politik begleiten oder gar kontrollieren, sondern handfest Politik machen. Aber, davon kaum ein Wort oder doch, einmal eine winzige Anmerkung von Minkmar. Wer kann denn was dafür, wenn der Pressereferent Steinbrücks die Anmerkung über das Kanzlergehalt vergisst zu streichen oder deren Brisanz übersieht, weil er irgendwie schon im Privatleben unterwegs war oder so was. Tja, dann...

Steinbrücks zu

enge Korridore

Im Grunde aber sei Steinbrück daran gescheitert, dass er seinen "Korridor" zu eng gestellt hatte: Nur mit den Grünen und sonst gar nicht. Aber, auch die nicht aufgearbeitete Agenda-Periode und letztendlich die im Hintergrund schon ganz anders gestellten Weichen auf eine "Große Koalition" seien der Grund für die krachende Niederlage gewesen.

Er erinnerte an die gekonnte Merkel-Inszenierung zum 150. Jahrestag der Gründung der SPD, hier ein Bericht im Stern, bei der die Kanzlerin persönlich – nicht per Video – erschienen war, ihre Verehrung für Willy Brandt bekundete und der Geist der Großen Koalition schon über allem schwebte, während Peer Steinbrück mit seinen verengten Optionen durch die Lande geisterte.

Minkmar meinte auch, dass die SPD mit ihrem – generell verengten Programm – immer mehr soziale Leistungen zu verteilen, an die Grenze der Politikfähigkeit gekommen sei. Er erinnerte an Peter Glotz, der sich immer gegen diese reine Füllhorn-Politik gewendet habe, sich für mehr Bildungsinitiatvien, überhaupt mehr Innovation ausgesprochen hatte und auf den niemand gehört habe.

Jeder seinen Gott

und seinen Heiligen

Überhaupt habe innerhalb der SPD jeder seinen "Gott" und seinen "Heiligen". Die Tradition spiele eine zu große Rolle. Er sähe, meinte Minkmar auf Nachfrage, in Gabriel schon einen Sozialisten. Aber keine Partei traue sich momentan – das habe gerade die Rating-Kampagne gegen Frankreich demonstriert – das Geld der Reichen wirklich anzugreifen. Frankreich werde bei gleichen wirtschaftlichen Parametern auf einmal runter geschrieben und Hollande knicke ein. Ob es gelänge, diese wirklichen Mächte einzugrenzen, wenn sowohl in Deutschland wie in Frankreich "Linke" an der Macht wären, fragte Augstein, aber Minkmars Antwort blieb vage. Bündnisse noch weiter links wurden nur wenig gestreift und vor allem die Hindernisse thematisiert. Z.B. das Verhältnis zu NATO-Mitgliedschaften und militärischen Einsätzen.

Weibliche Politik -

Harte Politiker/innen

Warum Augstein darauf die Gefahr erwähnte, Merkel in die Falle zu geraten, weiß ich nicht mehr. Warum er meinte, dass Politik immer weiblicher würde, ist schon ganz einleuchtend. Es ist ein Fakt, dass Politik sich seit geraumer Zeit nach Außen "weich" und "weiblich" inszeniert, während Politiker und Politikerinnen den harten Fakten folgen. Erst Angela Merkel hat daraus einen ganzen Politikstil entwickelt, der witzigerweise eigentlich auf dem "Mist" der SPD gewachsen ist. *

Augstein fragte auch nach dem "Markenkern" der SPD, ein Begriff, den er selbst erst verwarf und durch Überzeugungen ersetzen wollte, dann aber ständig weiter verwendete. Könnte man nicht die SPD als die Partei der Weniger-Besitzenden kennzeichnen? Darauf ging Minkmar weniger ein, es ginge bei der ganzen Wahlkämpferei um eine diffuse "politische Mitte", die man erreichen und "mitnehmen" müsse, denn am Ende verstünden sich sogar viele Hartz IV-Empfänger als die politische Mitte und wählten CDU, weil die verspreche, dass es Deutschland gut und bald noch besser ginge. Dass es gelänge, diese politisch auch dann mizunehmen, wenn jähe Wechsel anstehen, habe z. B. Merkels Atompolitik bewiesen.

Kurz wurde auch Internationales gestreift, aber diese Seite gab nicht viel her. Was hat Brand da alles initiiert und wie wenig ist davon übrig geblieben.

Ein Ministerposten ist

auch eine Flucht

Dann gings noch um das Verhältnis zur Macht. Minkmar verwies in diesem Zusammenhang vor allem darauf, dass die Aussicht, einen Ministerposten zu bekleiden, dem Parteistall und -mief zu entkommen, sehr verführerisch sei. Ob das auch einer der Gründe für die Entstehung der Großen Koalition ist und ob die SPD dabei Schaden nimmt, ist noch nicht einmal gewiss. Sie hat ja auch gelernt. Im Moment kämpft sie um Kommunikationshoheit und Debattensiege gegen die CDU während einige Medien fragen,wo Merkel im Moment eigentlich steckt. Das wird wohl vier Jahre so gehen, ist zu erwarten. In Meseberg soll Merkel den angemahnten Klartext geredet haben. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Community-Anmerkungen: Ich war lange Zeit nicht bei einem Freitag-Salon. Diesmal habe ich auch niemanden getroffen aus der Community was ich schade fand. Mir waren die Gespräche im Gorki-Casino immer sehr angenehm, manchmal das Angenehmste. Vielleicht aber wars nur die allgemeine Winterabkühlung. Es ändert sich ja immer mal wieder alles. Das Klima, die Leute, die Zeiten...vor allem die Ladezeiten.

* Sie folgte, so der Journalist Stephan Detjen,

http://www.deutschlandfunk.de/angela-merkel-wie-die-kanzlerin-von-der-spd-das-siegen.724.de.html?dram:article_id=272240

den Empfehlungen einer Studie, die SPD schon vor einiger Zeit in Auftrag gegeben hatte und die feststellte, dass die Wählerinnen und Wähler mit zuviel Analyse und Komplexität nichts anfangen können und dass "Politiker sich daran erinnern müssten, dass sie ein eigener Standt mit einer eigenen Sprache sind, die nicht notwendigerweise außerhalb ihres Standes verstanden wird.

Und sie zog daraus den Schluss, dass man Politik den Wählern nicht mehr rational erklären könne, sondern "weichere" und eher irrationale Kriterien zählen. Und so entstanden die Wahlformeln von "Sie können mir vertrauen" oder "Sie kennen mich" usw.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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