Krise der Männlichkeit – was ist dran?

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Was ist los mit den Männern? Sie beklagen sich. Sie sind in der Krise. „Wann ist ein Mann ein Mann“ fragen sie mit Grönemeyers Tourette-Stimme und tun sich das an, was Frauen eigentlich hinter sich glaubten: Sie definieren sich biologistisch und wollen wieder männlicher werden. Was soll das eigentlich sein: „männlich“, frage nicht nur ich. Auch andere Zeitgenossen und -genossinnen, wenn sie nicht gerade einen der medialen Jammerartikel gelesen haben, fragen sich das. Waren wir alle nicht schon mal weiter?

„Arenen der Männlichkeit“ im
TU-Hauptgebäude

Wie auch immer: „Arenen der Männlichkeit“ heißt das Gesamtmotto der Ringvorlesung, die das Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin in diesem Herbst anbietet. Und das ist sehr spannend, auch wenn nicht alles ganz neu zu sein scheint. Denn schon lange beschäftigt sich die Geschlechterforschung übergreifend auch mit Männerfragen. Und noch erstaunlicher: Männer lassen sich gern in langen Dossiers- zum Beispiel in der „Zeit“ erklären, wie „Jungs heute sind“ oder sie lassen sich Thesen über die männliche Natur aufschwatzen. Sie lassen mit sich das machen, was viele Frauen lange Zeit energisch zurückgewiesen haben für sich: Sie lassen sich normieren, zurichten auf einen Männlichkeitsbegriff auf eine männliche Identität, die es so gar nicht gibt.

Die Eröffnungsvorlesung von Prof. Dr. Mechthild Bereswill, Universität Kassel, beschäftigte sich denn auch mit der oben erwähnten Krise und forschte mit der Frage „Fragil oder stabil? nach „Männlichkeiten im gesellschaftlichen Krisendiskurs“

Verunsichert, orientierungslos und abgehängt fühlen sich die Männer, während sie Frauen als selbstgewiss und selbstbewusst erleben. Und sie wenden sich zurück zu einer Utopie von einer wilden Männlichkeit, die von Frauen nicht andauernd infrage gestellt wird.

So zumindest stellten sich Männer so in einer Sendung dar, auf die sich Mechhild Bereswill bezog und die sich ebenfalls den Grönemeyer-Titel „Wann ist ein Mann ein Mann“ zum Motto erwählt hat. Natürlich waren die Antworten differenziert, aber es kam doch heraus, dass mit einer Ausnahme, über Abwertung geklagt wird und der Geschlechterunterschied heftig herbeizitiert wird: „Männer bleiben Männer und Frauen bleiben Frauen“. Und da das alles so unsicher ist, müssen die Männer am Ende des Films als Indianer um ein Feuer tanzen, um sich männlich wieder einzukriegen.

Die Krise der Männlichkeit- eine subjektive Identitätskrise, den sich so rasant wandelnden Strukturen der Gesellschaft geschuldet? Eine Folge instabiler Souveränität, die ständig von Neuem demonstriert und verteidigt werden muss? Die Rede von der Krise der Männlichkeit, vielleicht auch eine rhetorische Waffe gegen feministische Definitionsmacht?

Dahinter – scheint es - steckt eine höchst anfechtbare schlichte Vorstellung, die meint, es gäbe einen stabilen Kern männlicher Identität, der von Frauen massiv bedroht würde. „Je fragiler das Selbstgefühl, desto stabiler werden die Vorstellungen von einer fest umrissenen Männlichkeit im Mann. Sie werden starr, die Männer, sie schotten sich ab und sie suchen Schuldige an dieser unheimlichen„Bedrohung männlicher Subjektwerdung“. Und das sind - natürlich - die Frauen.

In der sehr absoluten Form kommen dann Thesen ans Licht die feststellen: Ohne Vater sei der Junge der „totalitären Liebe“ einer omnipotenten Mutter ausgeliefert und könne niemals „authentisch“ zur Männlichkeit initiiert werden. (Walter Hollstein).

Im Kindergarten sind
zuviele Frauen unterwegs

Das Elend pflanzt sich im Kindergarten fort. Auch dort sind zu viele Frauen unterwegs. Deshalb muss man die Kinderbetreuung endlich aufwerten und muss mehr Männer in den Kindergarten lassen. Es ist eine ziemlich perfide Ironie, das Ganze unter dem Label: Aufwertung dieser Arbeit, zu verkaufen, als sei sie unter Frauen nichts wert.

Dass männliche Identität nur durch Männer in die Jungen kommen. kann, gehört zu den Ideen, die zu hinterfragen wären.Denn auch zur Konstituierung von Männlichkeit gehört immer der Blick auf beide Geschlechter. Es ist in dem Zusammenhang völlig unsinnig Jungen gegen Mädchen auszuspielen, auch wenn es durchaus wünschenswert ist, dass mehr Männer sich in der Kinderbetreuung betätigen.

Wilde Männlichkeit -als Angebot zur
Kompensation für„Abgehängte“

Die schlüssigsten Erklärungen finden sich am Ende doch wieder bei den bekannten gesellschaftlichen Entwicklungen. Und da ist eigentlich so eine festgefügte Männlichkeit gar nicht zu konstatieren. Im Gegenteil. Die wilde Männlichkeit – sie ist ein Kompensationsmodell für die Abgehängten. Je abgehängter umso konservativer das Geschlechterbild. Männliche Gewalt ist auch nichts anderes als ein rigider Rückgriff auf eine Männlichkeit, die gar keine Betätigung, kein Ziel hat, sondern allerhöchstens etwas von einem Appell an die Gesellschaft in sich trägt.

Das männliche Ernährermodell des gut ausgebildeten, bodenständigen Facharbeiters ist schon lange zutiefst aufgeweicht. Aus dem Facharbeiter wurde der Leiharbeiter in prekärer Beschäftigung. Verunsichert, was die Zukunft betrifft und ohnehin immer seltener der alleinige Ernährer. Diese Prekarisierung verhindert männliche Emanzipation.

Dagegen wird hegemoniale Männlichkeit (Conell) gerade neu konfiguriert. Und die stellt die alte zutiefst infrage. Es ist die Konstruktion der transnationalen Managermännlichkeit, risikobewusst, fähig mit Unsicherheiten umzugehen und sich dabei an die Spitze zu setzen.

Der Global Player gegen
den ausgemusterten Facharbeiter

So stehen zwei männliche Bilder einander gegenüberDer „Global Player“ gegen den ausgemusterten Facharbeiter. Die „ernsten Spiele des Wettbewerbs“, die Pierre Bourdieu in seinem Aufsatz über die „männliche Herrschaft„,vermerkt , werden zu einem Dauerzustand. Und die Rolle der Frauen bleibt nicht länger die der sanften Zuschauerin oder des „schmeichelnden Spiegels, der dem Mann das vergrößerte Bild seiner selbst zurückwirft“ (Virginia Woolf). Nein, sie sind mit auf dem Wettbewerbsfeld, geraume Zeit schon. Und das kränkte schon lange und ist jetzt – da die allgemeine gesellschaftliche Krise, die alle verspüren - an die Subjekte delegiert wird, die ihnen Autonomie suggeriert, wenn sie sie bewältigen, virulent. Vor allem, da sie medial massiv abgehandelt wird.

Und in diesem Klima macht sich eine Ministerin stark für Männer – das wird diese freuen, aber es sichert vor allem ihr männliche Stärke als Unterstützung wogegen auch immer.

Ein Gesundheitsbericht widmet sich männlichen Krankheitsrisiken, denn Jetzt sind die Männer dran . Das tut so, als kämpften nicht die Frauen seit Jahrzehnten um die geschlechterspezifische Aufschlüsselung von Erkrankungen. Und so weiter und so weiter. Der Subtext lautet: Es ist unbedingt aufzuholen gegenüber den Frauen, denn die sind ungerechterweise weit voraus, so die allgemein transportierte Botschaft.

Frauen waren schon immer
"Minenhunde" bei Umbrüchen

Warum sind die Frauen voraus? Weil sie das ganze Elend der Prekarisierung ihrer Arbeit, der Unsicherheit in der Zukunft und Unwägbarkeiten des rasanten globalen Wandel schon seit Jahren kennen und den ersten Schrecken hinter sich haben. Schon immer waren Frauen die „Minenhunde“ solcher Entwicklungen und sind dadurch besser angepasst und gefeit gegen zuviel Identitätszweifel. Oder nicht?

Und, sind sie denn überhaupt in anderem so weit voraus. Nicht ganz. Noch immer gibt’s Probleme in bestimmten Jobs. Gerade hat die CSU mühsam doch noch eine Quote beschlossen. Und die Frauen sind sehr ins biologisch-weibliche gedriftet? Die berichteten Debatten auf dem Barcamp Was wollen wir eigentlich sprechen eine deutliche Sprache. Der Schönheitsterror und die auf „Weiblichkeit“ gebrachten Geschlechterdebatten lassen zweifeln, obüberhaupt eine Krise der Männlichkeit angesagt ist, vielleicht eher eine Krise der geschlechtlichen Zugehörigkeiten, der Identitäten überhaupt. Was zwischen den Geschlechtern läuft, läuft eigentlich überall in der Gesellschaft. Verunsicherung wohin das Auge blickt. Die Rede von der Krise „des“ Mannes, so die Grundthese der Journalistin Ines Kappert, ist somit auch als Ersatz für eine damit scheinbar obsolet gewordene Gesellschaftskritik zu verstehen.

Lesestoff

Rolf Pohl: Krise der Männlichkeit

Michael Meuser - Zur kollektiven Konstruktion hegemonialer Männlichkeit

Ines Kappert: Der Mann in der Krise

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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