Zenzl Mühsam (1884 – 1962)

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Als in Berlin, Hauptstadt der DDR, eine Straße in Friedrichshain feierlich in Mühsam-Straße umbenannt wurde, da konnte die Witwe des im KZ Oranienburg ermordeten Anarchisten und Schriftstellers Creszenzia Mühsam – Zenzl genannt –nicht daran teilnehmen. Sie hätte soviel zu sagen gehabt über den Kampf, den sie und ihr Mann gemeinsam geführt hatten. Bei der Ausrufung der Münchner Räterepublik, die sie als „Hosianna und Kreuzige ihn“innerhalb nur einer Woche beschreibt, war sie bei ihrem Mann, der mäßigend auf die Soldaten einwirkte. Sie war es, die sich immer und immer wieder für die Freilassung ihres Mannes aus Festungshaft einsetzte, zu der er wegen Mitwirkung an der Revolution verurteilt war. Sie sorgte rastlos für das alltägliche Leben und für die Voraussetzungen des politischen Kampfes von Erich Mühsam und war dennoch mehr als seine Haushälterin, sondern eine gleichberechtigte, kühne Gefährtin mit dem Mut einer Löwin und einem bayrischen Dickkopf.

Sie hätte erzählen können, wie sie noch in dem Moment, da ihr Mann 1933 endgültig verhaftet wurde, die Pässe und wichtige Unterlagen beiseite bringen konnte. Wie sie die Nazi-Justiz dazu brachte, den Leichnam ihres im KZ Oranienburg ermordeten Mannes zur Beerdigung freizugeben. Wie sie – gewarnt – nach Prag flüchtete an dem Tag, an dem Mühsam beerdigt wurde. Wie sie – in auswegsloser Lage – auf die Versprechungen der sowjetischen Vorsitzenden der Internationalen Roten Hilfe, Jelena Stassowa, einging, die sie in die UdSSR einlud, um die Autorenrechte für Mühsams Werk zu erlangen. Und sie hätte erzählen können, wie sie dafür bezahlt hat.

Denn Zenzl Mühsam war zur Zeit, da ihrem Mann Ehrungen zuteil wurde, noch in Stalinschen Lagern inhaftiert, in denen sie – mit zwischenzeitlichen Verbannungsstrafen und kurzen Entlassungen – 20 Jahre ihres Lebens verbracht hatte.

Nur vorsichtig und ohne wirklichen Druck halfen ihr Bertolt Brecht und Helene Weigel, die durch das Schicksal der Schauspielerin Carola Neher , die im Gulag starb, sensibilisiert waren für Zenzl Mühsams Schicksal.

Es bestand kein Bedarf, sich mit Zenzl Mühsam eine Person in die DDR zu holen, die eventuell über die wahren Gründe für das Verschwinden zahlreicher deutscher Exilanten in der Sowjetunion hätte Auskunft geben können.

Aus der bayrischen Holledaubis in den Archipel Gulag hat das „Jahrhundert der Extreme“, wie der britische Historiker Eric Hobsbawn das vergangene nennt, die Bauerntochter Zenzl Mühsam geschleudert.

Als sie endlich entlassen wurde und zurückkam, blieb sie in der DDR, obwohl die erste Amtshandlung, der man sie unterzog, die Verpflichtung zum Schweigen über die Ereignisse der Vergangenheit war. Sie wurde mit einer Ehrenrente für Opfer des Faschismus versorgt und abgespeist.

Sie blieb in der DDR, weil sie – auch da treu – alles dran setzte, den Nachlass ihres Mannes wieder zu erlangen und so viel wie möglich zu publizieren. Das gelang ihr nur teilweise, weil Erich Mühsams anarchistisches Erbe viel zu brisant war für die auf Ordnung und Sicherheit ausgerichtete politische Macht in der DDR. .

Sie wollte andererseits aber auch nicht vor den Karren des sich verschärfenden „kalten Krieges“ gespannt werden.

1962 starb sie in Berlin-Pankow, wo sie in der Binzstraße 17 gelebt hat.

Gestern sprach die Regisseurin und Historikerin Uschi Otten, die sich sehr intensiv mit der Biographie von Zenzl Mühsam beschäftigt hat, über dieses tragische und kämpferische Leben.

Ich will mich bemühen, an ihrem Haus eine Ehrentafel zu initiieren. Ich bin engagiert in der AG Spurensuche beim Frauenbeirat Pankow.

Vielleicht hilft mir ja dieser oder jener bei „der Freitag“ mit, dieses Anliegen durchzusetzen.

Zwei Links zur Information

de.wikipedia.org/wiki/Zenzl_M%C3%BChsam

www.trend.infopartisan.net/trd1105/t141105.html

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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