Die SPD schlägt sich mal wieder selbst

Niedersachsen-Wahl Die Landtagswahl in Niedersachsen geht so knapp aus, wie vor kurzem noch niemand erwartet hätte. Dabei hätte die SPD haushoch gewinnen können - wenn sie es denn könnte

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Die SPD schlägt sich mal wieder selbst

Foto: Carsten Koall/ AFP/ Getty Images

Der Sieger des Wahlabends ist die CDU, nicht die FDP - soviel muss einfach mal klargestellt werden, auch wenn das amtliche Endergebnis noch nicht feststeht, während ich diese Zeilen schreibe. Der Sieger heißt CDU, weil sie trotz strategisch kalkulierter Verluste von rund sechs Prozent deutlich stärkste Kraft bleibt und dank ihrer mathematisch begabten Wählerklientel sehr wahrscheinlich auch weiterhin Niedersachsen federführend regieren wird. Die der FDP abgegebenen Zweitstimmen sind da nicht nur ein cleverer Schachzug zur eigenen Rettung, sondern zugleich so etwas wie ein sozialer Akt den echten, spitzensteuersatzgeschädigten FDP-Wählern und ihren Karrierpolitikern, die nie außerhalb ihrer Partei gelebt haben, gegenüber.

Womit wir bei Philipp Rösler wären, der durch diese milde Gabe gerettet wurde. Es ist ja beileibe nicht so, dass das gute FDP-Ergebnis auch nur ansatzweise ihm zu verdanken wäre. Laut NDR-Umfrage vor der ersten Prognose haben 78 Prozent der FDP-Wähler nur mit ihrer Zweitstimme für die Hotelierpartei gestimmt, gerade einmal 17 Prozent auch mit der Erststimme. Ohne Zweitstimmen wäre die FDP bei drei oder vier Prozent versauert und hochkantig aus dem Parlament geflogen - was ihr angesichts ihrer politischen Arbeit der letzten Jahre auch gebührt hätte. Nun stellt sie sich als strahlenden Sieger hin, und Philipp Rösler kann sich seines Jobs vorerst sicher sein. Mittelfristig könnte dieser Übermut aber gut sein, denn auch dieser geschenkte Aufschwung wird nicht ewig halten, und dank Philipp Röslers offenkundiger Inkonpetenz könnte es bei der Bundestagswahl doch ein böses Erwachen geben.

Der eigentliche Verlierer sind aber SPD und Grüne, die sich ihres Sieges schon sicher hätten sein können. Dabei trifft die Grünen keine Schuld; sie haben eigentlich alles richtig gemacht und scheinen sich dauerhaft auf höchstem Niveau stabilisieren zu können. Versaut hat's - wieder einmal - die SPD. Vielleicht reicht es gerade noch mit einer Stimme Vorsprung für eine rot-grüne Regierung, vielleicht auch nicht. In jedem Fall hat die SPD sich völlig unnötig selbst geschwächt. Keine andere Partei scheint in den letzten Jahren eine solche Sehnsucht nach der Verliererrolle entwickelt zu haben wie sie.

Eine derart glänzende Ausgangsposition zu verspielen ist eine erstaunliche Leistung. Dabei hätte man nur gegen die komplett inhaltsleeren CDU-Plakate mit dem Slogan "Zuhören. Entscheiden. Anpacken." gewinnen müssen. Wahlweise gibt's die übrigens auch in den genauso dämlichen und nichtssagenden Varianten "Zuhören. Entscheiden. Gestalten." (CDU Unkel, irgendwo am Mittelrhein) und - von Handeln ist da noch nicht mal mehr die Rede - "Zuhören. Prüfen. Entscheiden." (CDU Löbau, tiefstes Sachsen). Auch die echte Politik, in der Schwarz-Geld mit der Aufarbeitung der Wulff-Hinterlassenschaften, der Sauerei in der Asse, der altbackenen Schulpolitik usw. genug Angriffsfläche geboten hätte, konnte die SPD nicht nutzen. Stattdessen bewies der zukünftige ehemalige Kanzlerkandidat Steinbrück seine soziale Inkompetenz in Verbindung mit verbaler Diarrhö und verlangte eine prophylaktische Gehaltserhöhung für das Kanzleramt. Zur Beruhigung für die SPD sei gesagt, dass es sehr schwer für ihn werden wird, das Steinmeier-Debakel von 2009 zu wiederholen.

Kommen wir zu den kleinen Verlierern dieser Wahl: Der Linken und den Piraten. Bei der Linkspartei muss man sich in der Tat langsam fragen, ob das Projekt einer gesamtdeutschen Partei gescheitert ist. Ich denke immer noch, dass sie sich in einer ähnlichen Phase befindet wie die Grünen Mitte der 80er, in der sich die Lager sortieren. Sicherlich ist derzeit auch Genosse Trend bundesweit nicht sehr gnädig, aber dieser Absturz um mehr als die Hälfte ist auch zurückzuführen auf die vielen internen Lagerkämpfe zwischen Idealisten, Pragmatikern, Sektierern und denjenigen, die wie Heuschrecken immer von einer neuen Partei zur nächsten weiterziehen, in der Hoffnung, dort etwas zu erreichen, was aber regelmäßig an der ihnen eigenen Parteiunfähigkeit scheitert. Gerade im Westen ist dies leider ein fester Bestandteil des täglichen politischen Lebens in der Linken; wo die SPD mit rund 500.000 Mitgliedern gerade einmal drei interne Strömungen hat, leistet sich die Linke ein knappes Dutzend bei gerade 70.000 Mitgliedern, die noch dazu teilweise sehr viel unversöhnlicher sind. Dies macht die Linke unattraktiv für viele Wähler, obwohl viele Ideen in ihrem Programm richtig sind. Aber um ihr Wählerpotential auszuschöpfen, müsste sie endlich bürgerlicher und disziplinierter auftreten.

Die Piraten schließlich haben sich selbst besiegt, was aber völlig vorhersehbar war und daher kaum eine Nachricht wert ist. Anders als bei Linken oder Grünen wird man von dieser Partei nicht mehr viel hören. Hatte sie anfangs noch einige medienwirksame und seriöse Vertreter, ist sie durch den Hype zu einem Sammelbecken vieler irgendwie nerdiger Menschen geworden, die mehr gemeinsame Computerkenntnisse haben als programmatische Gemeinsamkeiten. Irgendwie modern und basisdemokratisch zu sein reicht eben nicht, um daraus eine dauerhafte Partei zu formen, wenn man sich inhaltlich nicht grün ist. Nicht einmal die FDP schafft es, ihre Spitze so konsequent und rücksichtslos zu demontieren wie die Piraten.

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