Feste feiern - Wenn Gäste streiten

Zusammenkünfte Das Feiern von Festen kann schön sein, insbesondere wenn man nicht dabei ist.

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Das Bedürfnis Feste zu feiern, scheint gleich nach Essen und Schlaf ein „menschliches Grundbedürfnis“ zu sein, zumindest haben sich die Gesellschaften rund um den Globus ziemlich viele Anlässe erschaffen, um feiern zu können. Die zahlreichen Begründungen für Festlichkeiten zähle ich an dieser Stelle lieber nicht auf, mich interessiert eher der Spezialfall des „Gästestreits“. Gäste, die sich vor der versammelten Festgemeinschaft gegenseitig beleidigen und anschreien sind ein Phänomen, welches öfter auftritt, als vermutet. So hatte ich kürzlich die Gelegenheit, einen Generationenkonflikt Ost/Ost beobachten zu können (Zweite Generation kontra Dritte Generation Ost). In der Quintessenz des Streits ging es um die Frage, wer das Recht habe, über die Anforderungen des Lebens zu Jammern. – Das Jammern gilt bekanntlich als eine Spezialität der (Ex-) Ostdeutschen und auch hier galt es demnach, eine Jammerbefugnis und Jammerhierarchie auszuhandeln. Während der Vertreter der Dritten Generation auf seine eigene Überforderung pochte, wies die Vertreterin der Zweiten Generation dessen Jammerbefugnis harsch zurück. Ob sie wollten oder nicht – die restlichen Teilnehmer der Party befanden sich nun in einem Kugelhagel der Argumente und jeder musste sehen wo er bleibt. Doch auch Eifersuchtsszenarien, wütende Tränenausbrüche und das Aufwärmen von Problemen, die vor zwanzig Jahren aktuell waren, sind zu Gelegenheiten wie Geburtstagen, Hochzeiten und Schuleinführungen keine Seltenheit. Wie verhält man sich nun am besten, wenn die Gäste „an die frische Luft gehen“, andere herumsticheln oder meckern? Sollte man sich eher defensiv zurückziehen: „Oh! Ich möchte dringend abwaschen.“ (Die langweilige aber sichere Variante.) – Oder sollte man offensiv einschreiten und sein ganzes Repertoire an Konfliktlösestrategien darbieten?- Kampfhandlungen aus dem Karate oder Taekwondo miteingeschlossen. - Dieses Einschreiten verspricht Action und wirkt konsequent, kann aber für die weiteren Anwesenden sehr belastend sein, außerdem wird unter Umständen die eigene Wohnungseinrichtung in Mitleidenschaft gezogen, insbesondere, wenn man in einer kleinen Hamster-Sozialbauwohnung wohnt. Wie es ja viele – zumindest in Berlin - tun. Eine solide Möglichkeit ist der Zugriff auf alkoholische Getränke, allerdings muss man, wenn alle weiteren Partyteilnehmer nicht älter als vier Jahre sind, alleine trinken. Dies kann unter Umständen nicht zielführend sein, vor allem, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Eltern der Feiernden eintreffen, um diese abzuholen. In diesem Fall hilft es dann nur noch, die erschrockenen Eltern zum Mittrinken einzuladen, was manchmal klappt. Der Klassiker des Ertragens von Konflikten, an denen man nicht beteiligt ist, ist die Fluchtoption und Defensivstrategie „Toter Mann/Mensch“. Diese Strategie ist dem Yoga entnommen, und bestimmt schon 2000 Jahre alt! (Hat schon immer funktioniert!) Hierfür sollte man sich zunächst Ohrenstöpsel basteln, zum Beispiel aus biologischem Kunstleder, natürlicher Baumwolle, oder einfach Toilettenpapier. Dieses Bastelprodukt stopfe man sich nun in die Ohren – sofort ist das Geschrei der erregten Gäste akustisch abgedämpft. Nun legt man sich auf den Boden und lässt die äußeren Szenarien an sich vorbei ziehen (Pratyahara = Das Zurückziehen der Sinne). Sollten sich die Gäste durch das Handeln ihres Gastgebers irritiert zeigen und wohlmöglich besorgte Fragen stellen, kann dieser entspannt weiter daliegen, er versteht die Fragen aufgrund der Ohrenstöpsel ja sowieso nicht. Dieser Moment der inneren Einkehr bietet nun die Möglichkeit, sich den eigenen Fragen zu widmen. Allen voran: „Warum? Warum habe ich mir dies angetan? Warum habe ich tagelang irgendwelche Gemüsesorten eingekauft, die ich selbst nie essen würde, und habe sie zu Salaten verarbeitet? Warum habe ich Getränke in die fünfte/sechste/elfte Etage geschleppt? – Der Alkohol ist von dieser kritischen Hinterfragung ausgeschlossen. – Warum habe ich meine Wohnung aufgeräumt? Warum habe ich – oh Gott! (wahlweise oh Shiva/Krishna/Allah/…) – Kuchen gebacken?“ Und: „Inwiefern bin ich der Verursacher dieses ganzen Desasters, abgesehen davon, dass ich die Kontrahenten eingeladen und gewissermaßen die Bühne für das Spektakel bereitet habe?“ Nach diesem ganzen inneren Hin- und Her und einer tiefgründigen Selbstzerknirschung, oder –Analyse, sollte dann der Abschluss der Meditation eingeleitet werden. Dies kann man auf verschiedene Weise tun: Die dynamische Variante ist das unvorhergesehene Aufspringen. Dabei stoße oder puste man die Luft laut aus (Löwenatmung) und schreie danach irgendetwas, zum Beispiel „Ich brauche Ruhe!“ – Auf keinen Fall sollte man sagen: „Melanie, Du schuldest mir noch Geld!“ – Dies würde zu einer Vertiefung der Konflikte führen! Die ruhigere Variante, die Meditation zu beenden, ist das einfache Aufstehen und so tun „als ob nichts geschehen wäre“ (Strategie Trauma). Hierbei setzt man einfach das Partygeschehen fort und behauptet bei besorgten Nachfragen, man könne sich an nichts erinnern. Nun gilt es mit stoischer Ruhe, die letzten Stunden des Festes durchzustehen. Dabei kann man auch schon Pläne für die nächsten Festlichkeiten schmieden, denn sie werden unweigerlich eintreten. Vielleicht lässt es sich sogar arrangieren, dass man selbst in Kürze irgendwo zu Gast sein und dort seinen Aggressionen freien Lauf lassen kann? – Sozusagen als Racheakt? Aber wir sind ja eigentlich alle friedlich und wollen keinen Streit – in diesem Sinne „Chin Chin“.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jovan

Ein schönes Jahr 2013 an alle!

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