Verpasste Gelegenheiten: Opel-Krise ohne Konversionsdebatte

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Verpasste Gelegenheiten

Opel-Krise ohne Konversionsdebatte

Opel ist erneut in der Krise: wieder über eine Milliarde Verlust im vergangenen Jahr. Der der Eigentümer General Motors verliert die Geduld und droht, das Werk in Bochum zu schließen. Wieder werden „Zugeständnisse“ erwartet, weniger Lohn, längere Arbeitszeiten, Arbeitsintensivierung, Verzicht auf Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld etc.. Sonst drohe sogar eine Insolvenz von Opel insgesamt.Eine Zusammenarbeit mit dem großen französischen Autokonzern PSA soll helfen. Wenn zwei Firmen mit durchaus ähnlichem Profil zusammenarbeiten, sollen Einkauf – Druck auf die Zulieferer – und Produktion durch baugleiche Teile billiger werden: da in einem schrumpfenden europäischen Markt – und um diesen geht es – aber eher weniger Autos, dann also effizienter gebaut werden, heißt das notwendig: Entlassungen. Doch es gibt kaum eine Debatte um andere Lösungskonzepte, auch beim Gesamtbetriebsrat und der IG Metall nicht. Nach der Krise im Jahr 2009 wird erneut der Moment verpasst, über einen Einstieg in eine Konversion Opels nachzudenken.

„Jetzt geht es uns wieder gut. Deshalb müssen wir jetzt anfangen, Alternativen zu entwickeln, sonst droht uns in nicht allzu ferner Zukunft die 'harte Konversion'“, beschrieb ein Porsche-Betriebsrat die Lage im Oktober 2010, anlässlich der der Konferenz “Auto.Mobil.Krise” der Rosa Luxemburg Stiftung in Kooperation mit der Bundestagsfraktion Die Linke und TIE (www.rosalux.de/documentation/41066/automobilkrise.html). Ausgangspunkt war: Mit der größten Krise des Kapitalismus seit Ende der 1920er Jahre geriet auch die Automobilindustrie ins Straucheln. Angesichts der ökologischen Krise und den seit Jahren immer weiter ansteigenden Überkapazitäten schien nun der Moment gekommen, wieder über Alternativen zur »automobilen Gesellschaft« und zur exportorientierten Produktion neu nachzudenken. Es schien der Moment gekommen, an die Konversionskonzepte der 1980er und 1990er Jahre anzuknüpfen und neue Perspektiven für Beschäftigung, Wirtschaftsdemokratie und Umweltschutz zu entwerfen. Es schien der Moment gekommen, Gewerkschaftsbewegung und ökologische Bewegung zusammenzubringen, eine Mosaiklinke (vgl. Luxemburg 1/2010) für eine sozialökologische Transformation zu formieren.

Auch wenn von vornherein klar war, wie dick die zu bohrenden Bretter sind, schien die Konjunktur für eine grundlegende Debatte günstig. Tatsächlich machte sich jedoch schnell Ernüchterung breit. Es ist (noch) nicht die Zeit für den Beginn eines Projekts demokratischer Konversionsalternativen. Dessen Ausgangsbedingungen sind weiterhin restringiert. Es war vielmehr die Stunde der Herrschenden und des Krisenkorporatismus. Die Debatte war beendet, bevor sie wirklich begonnen hatte. Die IG Metall wird – anders als 2010 angekündigt – offensichtlich keine Positionsbestimmung zur Konversion mehr vorlegen. Wozu auch? Die Nachfrage boomt. Angesichts von Milliarden von Menschen in China, Indien, Brasilien oder Russland, den so genannten Zukunftsmärkten, die noch nicht automobilisiert sind, scheint es keine Überproduktion mehr zu geben. Die automobile kapitalistische Gesellschaft verfügt noch über schier unbegrenzte Expansionsmöglichkeiten. Ökologische Probleme spielen nur eine Rolle als Treiber für einen »revolutionären« Umbau zu einer kapitalistischen Autogesellschaft 2.0. Die absehbare Öl- und Ressourcenknappheit treibt den Trend zur technischen Modernisierung des Automobils im Sinne eines »Grünen Kapitalismus« an.

Es ist allerdings fraglich, ob die Nachfrage aus China oder Indien ausreicht, Exportrückgänge nach Europa oder in die USA auszugleichen. Auch in den BRIC-Staaten hat sich zuletzt das Wachstum deutlich verlangsamt, während die globale Konkurrenz um die Auto-Absatzmärkte noch zugenommen hat. Und angesichts der Wendung zu einer autoritären Kürzungspolitik eines postdemokratischen Neoliberalismus in Europa ist auch fraglich, ob sich bei einer erneuten Autokrise ein neues krisenkorporatistisches Rettungsprogramm durchsetzen lässt. Trotz des rezessiven Umfelds, der globalen Unwägbarkeiten der Krise, scheint für die gewerkschaftliche Politik immer noch nicht die Zeit für ein Wiederaufgreifen der Konversionsdebatte gekommen. „Konversion ist Illusion“, resigniert ein Betriebsrat von Bosch, die Kräfteverhältnisse sind nicht so (ebd.). „Die Entwicklung war doch abzusehen“, ärgert sich ein Opel-Betriebsrat jüngst; „wir hätten den zarten Faden wenigstens mal spinnen können“. Diesen 2010 neu aufgenommenen Faden der Debatte sollten wir nicht vorzeitig wieder abreißen lassen. Zum Weiterknüpfen sei hier auf die entsprechende Lektüre verwiesen:

Globale Ökonomie des Autos. Mobilität.Arbeit.Konversion, mit einer Studie von Stephan Kaufmann u. Beiträgen v. H.J.Urban, H.Schumann, A.Blöcker, E.Hui u. Aulong Yu, G.Mody, S.Leidig u.a., hgg. v. M.Candeias, R.Rilling, B.Röttger u. St.Thimmel, VSA, Hamburg 2011, 244 S.; zum kostenlosen Download von Inhaltsverzeichnis und ausgewähltem Beitrag hier entlang: www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/Candeias_M_2011_Konversion.pdf bzw. www.rosalux.de/news/37683

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

MarioCandeias

ist Direktor des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa Luxemburg Stiftung. Wir arbeiten an sozialistischer Transformation + einer Mosaiklinken.

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