Es ist nicht lange her, da gab es eigentlich nur drei Eissorten – Erdbeere, Vanille und Schokolade. Und es gab zwei Geschlechter. Heute gibt es Eis mit Käsekuchengeschmack, und bei Facebook kann man seit Kurzem zwischen 58 Geschlechtern wählen: etwa androgyn, pangender oder trans*. Männlich und weiblich sind übrigens auch noch dabei. Bisher gibt es die Option nur in der englischen Version, auf Deutsch soll sie bald kommen. Es bleibt die Frage: Führt sich die Genderpolitik so selbst ad absurdum?
Ein Facebook-Sprecher sagt, User könnten nun endlich ihr authentisches Selbst ausdrücken. Tatsächlich drückt sich in der Neuerung wohl eher das wahre Selbst von Facebook aus: als geschlechterübergreifende Datenkrake. Sonst hätten man einfach ein weißes Feld lassen können, wo, wer möchte, sein Geschlecht einträgt. Nun weiß aber jeder, der schon einmal einen Fragebogen ausgewertet hat: Freifelder sind hinderlich, möchte man die Daten später quantifizieren und zu Geld machen.
Dass Minderheitenrechte nicht im genuinen Interesse von Facebook liegen, geschenkt. Was aber bedeutet die Neuerung für den Genderdiskurs? Kritiker werden rufen: Da können wir ja gleich für jeden ein eigenes Geschlecht aufmachen. Andere sagen: Eine dritte Option hätte doch gereicht, warum gleich 58? Antwort: warum nicht?
Vielfalt und Abstraktion
Wie es sich anfühlt, sich nicht mehr ständig einer Norm wie der Weiblich-Männlich-Dichotomie unterwerfen zu müssen, können nur die sagen, die die Norm nicht erfüllen. Man mag einwenden, die immer größere Auswahl an Handlungsoptionen als Zeichen der individualisierten Gesellschaft setze alle anderen unnötig unter Stress. Das ist aber falsch. Vielfalt ängstigt nur den, der sich seiner Sache nicht sicher ist.
Auch wird die grobkörnige Rasterung der Welt – eine große gedankliche Leistung – nicht wertlos, wenn sie sich dahinter auffächert: Abstraktion, wo sie sinnvoll ist, Vielfalt, wo sie möglich ist. Ein Beispiel: Wenn in einer Polizeiakte von „Wald“ die Rede ist, reicht das. In einem Roman würde man gern lesen, dass dort Birken und Buchen stehen.
Wäre die Facebook-Innovation auch etwas für den Reisepass? Seit November können Eltern dort statt „F“ oder „M“ ein „X“ eintragen lassen – etwa für Kinder, die beide Geschlechtsmerkmale aufweisen. 58 Optionen würden hier aber doch übers Ziel hinausschießen. Ein Pass dient nicht der Selbstverwirklichung, sondern der Identifikation. Dafür reichen biologische Merkmale als Angabe – wenn man sie denn überhaupt braucht. Besser wäre es, ganz darauf zu verzichten. Ansonsten gilt: Warum mit einfachem Schoko-Eis zufrieden geben, wenn es Zartbitter, Vollmilch und Nougat gibt?
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