Alte Predigersäcke, brutale Jungmänner

Menschenrechte Allen Religionen ist gemein, dass sie die Rechte von Frauen einschränken wollen. Es wird Zeit, dem gegenüber nicht länger eine laxe Haltung einzunehmen.

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In Indien wurden vor wenigen Tagen zwei Mädchen vergewaltigt, getötet und von den Tätern an einem Baum aufgehängt. Ein Foto kursiert im Internet. Es zeigt die üblichen männlichen Gaffer. Keiner kommt auf die Idee, den Mädchen wenigstens die letzte Würde zu geben und ihre Leichen abzuschneiden. Im Sudan muss eine zum Tode verurteilte Christin ihr Kind im Gefängnis zur Welt bringen. Ihr wird erlaubt, sich noch zwei Jahre um das Kind kümmern, dann droht ihr der Galgen. In Nigeria werden über 200 Mädchen entführt, zum Islam gezwungen. In Irland ist seit 30 Jahren bekannt, dass ein Nonnenkloster bis in die 1960er Jahre ein Massengrab angelegt hatte. Hier wurden die Kinder lediger Frauen verscharrt, die der katholischen Lehre gemäß gezwungen wurden, diese Kinder auszutragen. Diese starben dann an den Folgen von Unterernährung und Krankheiten. In Syrien zetteln Männer einen Krieg an, sie schreien Allah ist groß, wenn sie Menschenleben zerstören. Und wer leidet am meisten und ist unschuldig an dieser Tragödie? Frauen (und natürlich auch Kinder).

Man muss nicht feministisch denken, um über dieses tagtägliche Grauen zornig zu werden. Die Gewalt gegen Frauen auf dieser Welt hat zwei Gründe: Männer und Religion. Es geht immer gegen Frauen. Denn die sind für Religionen wie den Islam, das Christentum und auch das Judentum die größte Gefahr. Je freier Frauen sind, desto stärker schwinden der Druck und die Macht der Religionen. Aber auch in einer aufgeklärten Welt müssen wir feststellen, dass sie unsere Werte in jeder Form angreifen.

Frauenrechte sind nicht Minderheitenrechte. Es sind Menschenrechte. Jede Entführung, jede Verschleierung, jedes Verbot, jede Ungleichbehandlung, jede Gewalttat betrifft uns alle. Ständig betonen scheinbar besonnene Kommentatoren, dass es ja auch Reformkräfte in jeder dieser Religionen und Kulturen gäbe. Aber wer das Label einer Religion trägt, muss auch die Auswüchse dieser Religion mittragen, kann sich nicht hinter seiner vielleicht weniger extremen Position verstecken. Wir werden den Islam, das Judentum und das Christentum nicht in anderen Ländern aus dem öffentlichen Leben verdrängen können. Aber auch in unserem Land sind die Imame, Bischöfe und Rabbiner, die für Frauen andere Maßstäbe ansetzen, eine Gefahr. Es macht keinen Unterschied, ob Herr Meisner hetzt oder ein Rabbi ein anderes Recht als das Grundgesetz für sich höher einschätzt. Ihnen ist gemein, dass sie den Lebens- und Gestaltungsraum von Frauen einschränken wollen. Es wird Zeit, gegen diese Staatsfeinde anzugehen und nicht länger eine laxe Haltung Religionen gegenüber einzunehmen.

Und dann gibt es noch die Männer. Der zunehmende schulische und berufliche Erfolg der Frauen verstört sie – sowohl in der westlichen Hemisphäre als auch in Indien und bald auch in China. In Deutschland haben allein in diesem Jahr sechs Männer ihre Familie ausgelöscht. Amerikanische Soziologen wie Michael Kimmel haben sich der Frustration der wütenden weißen Männer gewidmet. Sein Studienschwerpunkt lag Anfang des 21. Jahrhunderts auf amerikanischen Rechtsextremen. Seine Erkenntnisse lassen sich mittlerweile seiner Ansicht nach auf weitere männliche Gruppen übertragen – und das global! Jene, die sich ihres sozialen Status und damit ihrer Männlichkeit beraubt fühlen, reagieren nicht mit verstärktem Bemühen und mit mehr Leistung, sondern mit Hass. Sie verlieren an Boden, werden infrage gestellt. Auf der anderen Seite scheint es ihnen, dass andere Gruppen ihre soziale Position einnehmen, an Einfluss gewinnen. Die Emanzipation von marginalisierten Gruppen wird, nach Kimmel, von den Männern mit einem Angriff auf deren Männlichkeit beantwortet. „Während der weiße heterosexuelle Mann die ideale Form der Männlichkeit habe, ist die Männlichkeit der Anderen zu wenig oder zu viel.“ Diese Verunsicherung findet immer stärker ein Ventil: Gewalt.

Einer nigerianischen Studie zufolge reduziert sich statistisch die Geburtenrate um jedes Schuljahr, das Frauen durchlaufen. Kurz: je gebildeter die Frau, desto weniger Kinder. Damit schwindet die Macht der Männer. Tribalistische, patriarchalische Strukturen werden infrage gestellt. Das gilt für muslimisch-konservative wie auch für archaische Sinti- und Roma-Familien. Und wer das Frauenbild jüdisch-orthodoxer Gruppen analysiert, erkennt auch hier das gleiche Muster. Väter und Brüder versuchen verzweifelt, ihre Vormachtstellung zu verteidigen – mit jedem Mittel, das ihnen zur Verfügung steht. Wer diese Kulturen verteidigt, ihnen Raum und Verständnis entgegenbringt, lässt einen Angriff auf unsere mühsam erworbenen Erfolge eines freien und gerechten Staats zu. Ob in Indien, Santa Barbara oder Berlin-Kreuzberg – meist sind es junge Männer, die mit ihrem scheinbaren Statusverlust nicht klarkommen. Und wir schauen weg. Es wird Zeit, den jungen Herren auf die Finger zu schlagen. Jedes Relativieren, jedes Einlenken, jeder schwurbelige Hinweis auf Religionsfreiheit ist ein Zurückweichen, ein Akzeptieren der Angriffe. Die Verteidigung unserer Rechte ist nicht eine Frage der Höflichkeit oder des Respekts. Angriffe auf Frauen sind ein Akt des Terrorismus. So schlicht ist das. Manchmal!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Calsow

Schriftsteller ("Quercher und die Thomasnacht", "Quercher und der Volkszorn", "Quercher und der Totwald") und Journalist, lebt am Tegernsee.

Martin Calsow

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