Allein mit Sergeant Brody

Werbekritik Partnersuchportale werben gerne spätabends im Fernsehen. Das Kalkül dahinter: Wer so spät noch vor der Glotze hängt, muss einsam sein. Damit liegen sie aber völlig falsch

Sie läuft spät, trotzdem schaut man nach 23 Uhr am Sonntagabend diese Serie. Homeland erzählt von einem US-Soldaten, der aus dem Irak zurückgekehrt ist, und von einer manisch-depressiven CIA-Agentin, die annimmt, er sei während der Kriegsgefangenschaft „umgedreht“ worden und nun ein islamistischer Schläfer. Eine Frau im Wahn oder mit dem richtigen Gespür? Ein Familienvater, der jetzt nur noch Allah liebt? Einer, der sich verloren hat? Dass er so undurchsichtig ist, macht diesen Brody interessant – und lässt den Zuschauern Raum für eigene Gedanken. Bis zur Werbung.

Da steht dann ein Typ mit offenem Hemd irgendwo am Meer. Sascha, Werbetexter, heißt er in dem Spot. „Mein Leben ist wirklich toll, aber mit der richtigen Frau wäre es einfach traumhaft“, erklärt er süßlich lächelnd. Tja. Weil man nicht durchs Wegzappen riskieren will, den nächsten Twist zu verpassen, schaut man sich das an. Die Partnersuchportale werben mit viel Geld offenbar besonders gern in den Pausen der preisgekrönten US-Serie. Das Kalkül dahinter: Wer so spät noch vor der Glotze hängt, muss einfach einsam sein. Und der Klick ins Netz ist dann ja nicht weit.

Das ist aber ein Kurzschluss: Wer sich kurz vor dem Schlafengehen für die paranoide Welt von Homeland entscheidet, will nicht glatte Glücksgesichter von Elitepartner.de sehen. Und sucht weder Sascha noch Anne Julia, Kulturwissenschaftlerin. Sondern Menschen mit Brüchen und Abgründen. Bleibt nur: Aufnehmen, am nächsten Tag schauen, Werbung überspulen. Und dann allein sein mit Sergeant Brody.

AUSGABE

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 9/13 vom 28.02.20013

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Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

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