Vor ein paar Tagen fand ich eine Nachricht von LinkedIn in meinen Mails: Das soziale Netzwerk hat auf der Basis der Informationen in den Profilen einen Vergleich mit einem meiner Kontakte erstellt und unsere „Gemeinsamkeiten“ aufgeschlüsselt. Uns verbindet demnach: gleicher Ort, gleiche Ausbildungsstätte, gleiches Unternehmen. „Na, ihr macht es der NSA ja leicht“, kommentierte ein Kollege, dem ich die Grafik zeigte, etwas süffisant. Eine Szene, die sich im Moment so ähnlich wohl in Tausenden Büros der Republik abspielen könnte. NSA is watching you, haha.
Anschließend machte ich einen Abstecher auf meine Facebook-Seite, las den Eintrag einer Bekannten, die vor ein paar Tagen nach Israel gezogen ist. Sie arbeitet dort ein paar Jahre für eine Hilfsorganisation. Ich wünschte ihr Glück und wollte „Grüße an unsere palästinensischen Freunde“ ausrichten, gemeinsame Bekannte. Plötzlich hielt ich im Tippen inne. Es war wie ein Reflex. Palästina? Vielleicht scannen sie das Netzwerk gerade nach diesem Wort und ich lande auf irgendeiner Liste als Terror-Sympathisantin.
Werde ich paranoid?
Ich ärgerte mich über mich selbst. Warum bin ich auf einmal so feige? Und: Werde ich jetzt paranoid? Wohl kaum. In Zeiten wie diesen gelten die Paranoiker von gestern ja auf einmal als hellsichtige Warner. Klar ist, dass sie in der Ära der globalen Überwachung jeden noch so banalen Mist mitschneiden können. Wieso sollten Geheimdienste auch ausgerechnet soziale Netzwerke bei der Informationsbeschaffung auslassen? Ich dachte nur lange, vielleicht allzu lange: Mir kann es doch eigentlich egal sein, ob ein Geheimdienst-Offizier erfährt, ob ich eine Affäre habe oder nicht.
Ich habe trotzdem aufgehört mit vertraulichen Chats, das Netz vergisst ja bekanntlich nie. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik empfiehlt: „Seien Sie zurückhaltend mit der Preisgabe persönlicher Informationen! Nicht alles, was Sie über sich wissen, müssen andere Menschen wissen.“ Alles richtig und alles auch nicht wirklich neu, aber ich merke doch, wie die jetzigen Enthüllungen dazu führen, dass ich mein Verhalten noch bewusster steuere, meine Kommunikation schon im Voraus nach Verfänglichem durchforste und mich selbst zensiere.
Das ist es, was mich an dem NSA-Skandal wirklich aufregt: Dass sie mich dahin gebracht haben. Nicht, dass der US-Geheimdienst vielleicht mal eine Nachricht mitliest, ist das Hauptproblem. Schlimmer ist doch, dass wir ihn alle nicht mehr aus unseren Köpfen kriegen.
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