Der große Sprung nach vorn

Film Mit „Da geht noch was“ scheitert Holger Haase an dem Versuch, eine einfache Familienkomödie zu erzählen
Ausgabe 37/2013
Unfallopfer Carl (Henry Hübchen) macht erst einmal keine großen Sprünge mehr.
Unfallopfer Carl (Henry Hübchen) macht erst einmal keine großen Sprünge mehr.

Foto: Constantin Film Verleih GmbH

Wenn der deutsche Film über die Standards seines Erzählens nachdenkt, erinnert er sich an Hollywood. Das illustrierte zuletzt der WDR-Fernsehredakteur Gebhard Henke, ein Mann mit einigem Einfluss auf die hiesige Filmproduktion, auch wenn seine Berufsbezeichnung nicht so klingen mag. Ein Fernsehjournalist hatte sich über die alberne Darstellung von Journalisten in verschiedenen Tatort-Folgen gewundert (affektiertes Rumgeblitze mit dem Fotoapparat) und befragte Henke in seiner Eigenschaft als Tatort-Koordinator dazu.

Und dieser erzählte eben etwas von klassischen Journalistenbildern in Filmen, von gewissen Traditionen, der großen Nähe zwischen investigativen Presseleuten und den Investigatoren, den Ermittlern bei der Polizei. Das Paradoxe dabei war aber, dass einem zu Henkes Erklärungen lauter US-Referenzen einfielen: Fetzen aus Noir-Filmen, Stimmungen aus hartgesottenen Polizeistreifen, Die Unbestechlichen, The Wire. In deutschen Filmen blitzen Journalisten affektiert mit dem Fotoapparat herum.

Was das mit der Florian-David-Fitz-Henry-Hübchen-Familienkomödie Da geht noch was zu tun hat? Wenn die Standards des filmischen Erzählens die tragende Wände eines Hauses wären, müsste man sich Da geht noch was als Zelt vorstellen. In dem Film des Regisseurs Holger Haase trägt nämlich nichts, am wenigsten die Geschichte. Man kann also noch nicht mal von Standards sprechen, es geht um das Erzählen selbst. Standards sind die Grundlage von Genres, von denen es in Deutschland immer heißt, es gäbe sie nicht, auch wenn jeder zweite Fernsehfilm sich Krimi nennt.

Da geht noch was ist ein Film, der zumindest formelhaft funktionieren müsste. Ein erwachsener Unternehmer-Sohn (Fitz) erinnert sich zu Beginn an die Schwierigkeiten mit dem lieblos-harten Gewerkschafts-Vater (Hübchen), denen er erst in sein eigenes Leben mit schöner Frau (Thekla Reuten) und irgendwie stiefmütterlich behandelten Internats-Sohn (Marius Haas) entkommt. Und natürlich handelt der Film von der Versöhnung des Sohns mit dem Vater.

Figuren, die es nicht gibt

Es geht also darum, von A (Dissens) nach B (Versöhnung) zu kommen, und selbst wer solch eine Verbindung für schlicht hält, den muss noch Trauer befallen angesichts der Weise, wie der Film sie zurücklegt: Er springt einfach. Soll heißen: Die innere Plausibilität der Geschichte hätte man an einer Filmhochschule in den unteren Semestern für ausbaufähig halten können. Sie ist aber leider die Vorlage für einen Film, der in Deutschland mit knapp 300 Kopien gestartet wird, also schon mit mehr als einer halben Million Zuschauern kalkuliert.

Henry Hübchen ist entweder fehlbesetzt, weil er viel zu filouhaft-sympathisch für einen knorrigen Alten ist. Oder er soll eine Figur spielen, die es nicht gibt: einen knorrigen Alten, der auf Knopfdruck filouhaft-sympathisch sein kann. Alle Figuren in Da geht noch was haben derart grundsätzlich mindestens zwei Möglichkeiten, was man nicht mit Komplexität verwechseln darf: Das Drehbuch (Jens-Frederik Otto, Bearbeitung: Fitz) scheint mit Blick auf die Figuren, die kräftige Typen sein müssten, Amnesie zu haben. Es vergisst schnell, dass der Unternehmer-Sohn selbst ein schlechter Vater ist, wenn der Internats-Sohn spuren soll. Oder ihm fällt sehr spät ein, dass die schöne Frau kapriziös sein könnte, weil da vielleicht noch ein bisschen Konflikt abfällt, wenn ihr Unternehmer-Mann gerade sein Innerstes entdeckt. Die Versöhnung bewirkt passenderweise nicht die erzwungene Annäherung zwischen Gewerkschafts-Vater und Unternehmer-Sohn, auf die der Film die meiste Zeit verwendet, sondern erst der Opfertod der Mutter (Leslie Malton).

Da geht noch was sieht also aus wie ganz viele Filme. Was anderswo als Standard tragen würde, verkrümelt sich hier zur unausgegorenen Idee.

Da geht noch was läuft ab 12. September im Kino.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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