Kino In Kathryn Bigelows Film „Zero Dark Thirty“ sucht eine CIA-Agentin Osama bin Laden bis zum Ende. Erfolgreich. Über die politische Leere dahinter kann das nicht täuschen
"Sie machen einen guten Job“, sagt eine service-freundliche Stimme am Anfang von Kathryn Bigelows Film Zero Dark Thirty. USA, 11. September, die Leinwand bleibt schwarz, während die Tonspur ein Knäuel von Anrufen aus dem World Trade Center versammelt, in dem man am besten diesen wiederholten Satz identifizieren kann. Man muss das nicht zynisch finden, dass einer Hotline-Dame zur Beruhigung einer Frau in Todespanik nichts anderes einfällt, als ihr zu bescheiden, sie mache ihren Job als Todespanikerin gut. Es zeigt bloß, wie tief die Floskel vom reinen Professionalismus, dem bloßen Handwerk ins Denken eingewandert ist.
Zero Dark Thirty handelt von der Jagd auf Osama bin Laden, und den 11. September als Eröffnung braucht es, um dem ganzen Projekt – der
m ganzen Projekt – der Jagd wie dem Film – Sinn zu geben. Rache hat den Vorteil, dass sie Sinn prozessiert nach den Statuten der Champions League. Demnach wäre der 11. September am Anfang von Bigelows Film der 0:1-Rückstand, dem die USA dann im Auswärtsspiel zweieinhalb Stunden lang hinterherlaufen, ehe kurz vor Schluss der langersehnte Treffer die Hoffnung aufs Weiterkommen wahrt. Das mag zynisch klingen, aber ganz fehl geht man nicht, wenn man den Begriff von (Rache-)Politik, den Bigelows Film zeigt, in etwa so wiedergibt. Wichtig ist dabei, wie sich Zero Dark Thirty verhält zu solch schlecht motivierten Kriegshandlungen – affirmativ oder kritisch.Leicht lässt sich das nicht sagen. Zero Dark Thirty ist eine Wucht, etwas, das man sich vom Leib halten will, auch wenn die Qualitäten Bigelows offensichtlich sind. Der erste Film über Osama bin Ladens Erschießung wird schon der beste gewesen sein. Bigelow ist viel zu klug, um ihren (US-amerikanischen) Zuschauern den Skalp des Volksfeinds als patriotischen Triumphzug zu bescheren. Aber andererseits kann Zero Dark Thirty gar nichts anderes sein als eine Apologie der US-Außenpolitik, schon weil er aus dieser Perspektive erzählt. Nicht von ganz oben, wo immer noch jemand sitzen muss, der zwischen Option A (Reingehen) und Option B (Draufhauen) entscheidet. Aber eben aus dem Apparat der CIA, der das Geschäft am Laufen hält.Portables GebrauchsamerikaIn der letzten und entscheidenden halben Stunde, wenn Bigelow perfekt, präzise und völlig ruhig inszeniert, wie US-Spezialtruppen ins Haus von UBL (wie er in Film und Abspann nach der amerikanischen Schreibweise Usama bin Laden nur heißt) eindringen und Raum für Raum mordend einnehmen, dann sieht das aus wie die Aufzeichnung des Ereignisses, dem Obama, Clinton und die anderen damals im „Situation Room“ live beiwohnten. Und man kann durch diese brutale Sachtheitschoreografie, bei der die Kamera immer aus der zweiten Reihe filmt, verstehen, worin der Reiz von Militaria besteht, von dieser grotesken Ausrüstung der Soldaten, diesen vieläugigen Brillen. Einen besseren Werbefilm für die CIA kann es nicht geben.Zero Dark Thirty ist ein Film der widersprüchlichen Formen. Das Antlitz des toten Osama bin Ladens wird nicht frivol vorgezeigt (am schärfsten vermittelt durch eine Handykamera), und doch ist dessen Ermordung das Zeugnis, das der Film ausstellen muss. Zu lokalen Alltagsszenen fällt der Musik, die im Finale schweigt, die billige Orientalfolklore ein, die wie ein Pawlow‘scher Reflex jeden „Araber“ begleitet im westlichen Kino. Eigentlich interessiert sich Zero Dark Thirty nur für die Arbeit der handelnden Personen, aber dann gibt es ein, zwei Szenen, in denen Maya, die Frau, deren Suche zwölf Jahre dauert, erklären muss, dass sie keine Freunde hat und „fuck in the firm“ keine Option für sie ist. Daraus entsteht die – immer noch zurückhaltende – Personalisierung der Geschichte, in der Jessica Chastains unbeugsame Kämpferin in einer Männerdomäne nicht zufällig als Schwester Kathryn Bigelows im Filmgeschäft erscheint.Man stellt sich in diesem reichen Film viele praktische Fragen – wie etwa die Bestechung eines Informanten mit einem teuren Sportwagen abgerechnet wird in der CIA-Buchhaltung, eine Investition, die – und nicht die heiß diskutierten Folterszenen des Films – schließlich auf die Spur von Bin Laden führt; was mit den Kindern im Haus von Bin Laden geschieht, die nicht getötet, aber anders als die demütigenden, weil so gestrigen Videokassetten auch nicht eingesackt werden. Oder man sinniert über die Ästhetik des Provisorischen, an der Zero Dark Thirty nebenher schreibt, über jenes portable Gebrauchsamerika, das in all den Basen steht, die sich die USA auf der Welt errichtet haben, um mit ihr nichts zu tun haben zu müssen.Aber all das täuscht nicht über die Leere hinweg, die unter diesem Film liegt und die eine Politik meint, die selbst nicht recht glaubt, dass mit der Ermordung des einen großen Bösen etwas zu gewinnen oder zu begleichen wäre. Über diese Zweifel soll Professionalität hinwegtrösten, und die wird, was vielleicht das Erschreckendste in Zero Dark Thirty ist, vermittelt von, man muss sagen, Kindern wie Maya oder ihrem Kollegen Dan (Jason Clarke).Der kann knallhart foltern, ist mit seinem Hipsterbart zugleich aber vorstellbar als Buddy in einem Provinzkaff mit Metal-Band, Kinderbetreuung und Barbecues. Oder als Anzugträger in der Zentrale. Maya ist die berufserfolgsorientierte Angestellte der Gegenwart, die geschichtslos ihren Weg geht von der High School in alle Rankings, die ewige Mitarbeiterin des Monats, keine Freizeit, kein Umfeld. Weshalb am Ende eine Träne fließt (die zweite in dem Film; die erste, ebenfalls vieldeutige entwich einem Gefolterten, der Essen bekam). In der Träne ist die komplizierte Weltpolitik eingeschlossen als leicht sentimentale Bestätigung. Sie hat einen guten Job gemacht.
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