Es ist nicht immer nur quälend, langweilig oder uninteressant, einem Film beim Scheitern zuzuschauen. Denn im besten Fall kann die Art des Scheiterns etwas erzählen über die Gegenwart des Filmemachens, über die Verhältnisse, in denen die Idee von künstlerischem Ausdruck an wirtschaftlichen Realitäten hängt. Michael Ciminos opulent detailverliebter Spätwestern Heaven’s Gate von 1980 ist vielleicht das prominenteste Beispiel eines solchen Scheiterns – der Sargnagel für New Hollywood, das aufregende amerikanische Autorenkino der siebziger Jahre, dessen Ende auch politisch gewollt war. Was Heaven’s Gate wiederum offen für eine spätere Neubewertung gemacht hat, die sich nicht nur an Geschichten von vor lauter ungebroc
n vor lauter ungebrochenem Kunstwillen explodierenden Budgets delektiert, sondern das Kunstwerk erkennt, das Ciminos Film geworden ist.Heaven’s Gate ist eine untaugliche Vergleichsgröße für das, was bei Brian de Palmas neuem Film Passion alles schiefgelaufen ist – außer vielleicht in einem Punkt: Wenn in Heaven’s Gate das amerikanische Autorenkino an seiner eigenen Hybris zugrunde geht, dann ist Passion der Zombie dieses Kinos, der an der offensichtlichen Armut seiner Mittel noch immer nicht gestorben ist. De Palma gehört in die Generation der amerikanischen Autorenfilmer; in den siebziger Jahren wurde er bekannt durch Carrie – Des Satans jüngste Tochter. In den achtziger Jahren drehte er etwa den Gangsterfilm Scarface (1983), dessen Rückkopplungseffekte mit dem Selbstverständnis gewaltbereiter und aufstiegswilliger Kleinkrimineller wohl ähnlich hoch veranschlagt werden müssen wie der Vorbildcharakter, den Michael Douglas’ Börsenmakler in Wall Street (1987) für aufstrebende Finanzdienstleister hatte.Fast ein AbschlussfilmIn den neunziger Jahren hat de Palma Großprojekte wie Mission Impossible verwaltet; Passion geht der wirtschaftliche Misserfolg des irakkriegskritischen Films Redacted von 2007 voraus. Was vielleicht erklärt, warum Passion eine deutsch-französische Koproduktion und warum Passion überhaupt ein Brian-de-Palma-Film geworden ist: Das Remake von Alain Corneau letztem Film Crime d’amour (2010) versprach anscheinend einen Stoff, an dem sich de Palmas Handschrift als nicht unambitionierter Hitchcock-Schüler zeigen sollte. Denn weder war Crime d’amour, der keinen deutschen Kinostart hatte, ein großer Erfolg, noch wirkte die Inszenierung von Kabale in der Geschäftswelt sonderlich inspirierend. Immerhin, kann man nun sagen, sieht Crime d’amour aus wie ein richtiger Film.Passion dagegen verschafft dem Zuschauer das merkwürdige Vergnügen, dass ein wegen seines Namens finanzierter Hollywood-Regisseur einen Film macht, der wie ein Produkt der Hochschule anmutet, in der er gedreht wurde: Wie bei einem Zweitjahresfilm der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), die am Potsdamer Platz residiert, wird das global agierende Medienunternehmen durch an Scheiben geklebte Schilder behauptet. Traurig fährt ein Auto vor.Ein Unterschied zum Studentenfilm ist die Besetzung: Rachel McAdams als Chefin und Noomi Rapace als Untergebene, die um die Früchte ihrer Arbeit (ein Werbevideo für eine „Ass Cam“) gebracht und konsequent gemobbt, sich zur mörderischen Intrige entschließt. Das kann man so raffen, weil sich de Palma allein auf die Mechanik des Plots konzentriert: Passion ist ein Film, der keine Sprache hat, sondern nur aus Grammatik besteht.Der Titelkommt wohl daher, dass bei dem immerfort als geschäftsfördernd geltenden Runtermachen sexuelles Rummachen eine Rolle spielt, und da auch deutsche Schauspieler besetzt sind, gehört zu den Schauwerten dieses Films der Kuss von Noomi Rapace und Karoline Herfurth. Hätte man nie damit gerechnet, dass es zu so was einmal kommt.Leider kein RBB-“Tatort“Wie die deutschen Darsteller einer Auswahl folgen, die hierzulande kein Film hingekriegt hätte: Neben Herfurth spielen Rainer Bock, Benjamin Sadler und Dominic Raacke. Und weil man die beiden letzteren aus dem Tatort kennt (Sadler als Kommissarin-Liebhaber in Hannover, Raacke als Ermittler in Berlin), liegt der Gedanke nicht fern, dass Passion als Folge der beliebten Fernsehkrimireihe womöglich größerer Nachruhm und adäquaterer Raum gegeben gewesen wäre.So aber wundert man sich über das bisschen entlokalisierte Berlin, das im Film zu sehen ist (und das auch einmal London sein soll, wofür dann roter Bus und schwarzes Taxi durchs Bild fahren). Hitchcock-Schüler ist de Palma hier, insofern er die jeweilige Stadt immer nur durch ein Landmark erklärt (in Berlin: Reichstag). Man registriert, dass Tanztheater die Kunst ist, die Reichsein offenbar am besten garniert, wobei dem Kameramann (José Luis Alcaine) das Kunststück gelingt, den Leuchtschriftzug vom „Renaissance Theater“ so einzufangen, dass man „ance Theater“ lesen kann. Dem geldgebenden Medienboard sollte der Bund der Steuerzahler am Jahresende dagegen empfehlen, wenn schon in einst große Namen investiert werden muss, lieber auf Woody Allen zu setzen. Das kurbelt wenigstens den Tourismus an.