Komm, 's gibt Fresschen!

Tatort Üble Kolportage, die von lausiger Dramaturgie zusammengehalten wird: Der Bremer Tatort "Schlafende Hunde" verlängert die Kundschaftertätigkeit der Stasi ins Heute

So also nicht. Nachdem wir unlängst – wenn auch nicht unwidersprochen – den Umgang mit der DDR-Vergangenheit im Rostocker Polizeiruf gelobt hatten, zeigt eines unserer Sorgenkinder in der Sonntagabendkrimi-Familie, wie man es nicht machen sollte. Der Bremer Tatort mit Titel Schlafende Hunde sucht sich aus der gesamtdeutschen Geschichte der letzten 30 Jahre alles zusammen, was den Spiegel mehrfach zu Titelblättern inspiriert hat und nicht bei drei auf den Bäumen war. Stasi, Bautzen, Friedensbewegung und Waffenhandel, gepaart mit Lifestyle-Affinität (Fair Trade Kaffee) und prekären Dauerbrennern des menschlichen Miteinanders (Inzest). In dieser Mischung, die sich ausnimmt wie ein Shortest Reader's Digest der Bild-Zeitungs-Agenda, wäre das vermutlich nicht einmal den Vergangenheitsallergikern bei der NRW-SPD zu vermitteln, da kann Ulla Jelpke Grußworte verfassen bis zum Umfallen.

Eigentlich ist einem an diesem Tatort (Drehbuch: Wilfried Huismann, Dagmar Gabler) alles zuwider: wie die Frau, die am Beginn tot aufgefunden wird und sich als Dissidentin herausstellt, noch am Münztelefon versucht, ihre Tochter zu erreichen; wie Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) ihren alten Post-68-Buddy Rodenburg (Jürgen Prochnow) begrüßt, nachdem er in seinem Schuppen Reden auf den peaceful Kaffee befreundeter Indios gehalten hat; wie sich Laura Tonke als dessen ungeahnte Tochter Anna Korzius später vor der Überwachungskamera ausziehen muss (Regie: Florian Baxmeyer); wie in Berlin der Stasi-Nachwuchs natürlich alles über Inga Lürsen und Stedefreund (Oliver Mommsen) weiß, dem er in einer Kneipe brisante Informationen zusteckt.

Stasi-Nachwuchs am Start

Schlafende Hunde ist übelste Kolportage und interessant nur dahingehend, welche biedere Vorstellung von Vergangenheit dieser Fernsehfilm hat. Die Erstürmung der Normannenstraße und die Auflösung des Amts für Nationale Sicherheit hat es nie gegeben. Diese Stasifritzen machen, anstatt Werbemittel in Stalinbauten zu verteilen (Das Leben der Anderen) oder im Vertreterwesen ihr Auskommen zu suchen, einfach weiter, als gäbe es keinen Verfassungsschutz. Sie haben so gar linientreuen Nachwuchs am Start, der die DDR nie von innen gesehen hat, aber trotzdem so drauf ist, als hätte er noch bei Erich Mielke Grillpartys gefeiert und weiterhin ahnungslose Umschüler infiltriert, die nur ein bisschen auf Security machen wollen. Es wird weiter überwacht, und das inszeniert der Film mit einer Selbstverständlichkeit, die einem die Tränen in die Augen treibt.

Der entscheidende Link zum geschichtsphilosophischen Verständnis von Schlafende Hunde ist die kurz vor Schluss in Bezug auf Rodenburg geäußerte Moral der Geschichte: Wer sich einmal verkauft hat! Ja, der wird seines Lebens nicht mehr froh. Statt ein gebrochener Mann zu sein, ist Rodenburg zum Strafinzest mit seiner ihm unbekannten Tochter verdammt. Und in diesem biologistischen Detail (Reproduktion) steckt die hoffnungslos alttestamentarisch Pille, die in Bremen massenweise ausgegeben wird: Wer sich einmal versündigt hat, muss auf Gnade oder die so genannte zweite Chance nicht hoffen. Zumindest, wenn's um die Stasi geht. Da hört jede reformierte Lesart des Christentums auf.

Immerhin, unser Lieblingssprichwort fällt: "Wer mit dem Teufel speist, braucht einen langen Löffel."
Immerhin, es gibt auch was zu essen: Original Thüringer Bratwurst.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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