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Polizeiruf 110 Das neue NDR-Ermittlerduo beim Rostocker Polizeiruf macht in "Einer von uns" den größten Ärger. Auch unangenehm: Unterschicht, Russenmafia, Partydrogen

Wir wollen Uwe Steimle zurück! Der hatte als beliebter Schweriner Polizeiruf-Kommissar Hinrichs bekanntlich den Hut nehmen müssen zu Zeiten, da Doris J. Heinze noch Redakteurin beim NDR war. Steimle hatte dereinst die immergleichen Drehbücher kritisiert, in denen es am Anfang meist ums Prekariat ging und am Ende die Spur nach Osten wies.

Das ist im neuen NDR-Polizeiruf, der in Rostock spielt und dessen Ermittlerteam Alexander Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) mit einigem Bohei in der letzten Zeit öffentlich-rechtlich beworben wurde, nur ein bisschen anders. In Einer von uns sind wir gleich zu Beginn bei Unterschichts zu Hause, wo die Handkamera wackelt, weil man in den engen Neubauwohnungen kaum fußen kann und das Leben, das sich darin abspielt, sowieso instabil ist. Angelegt im so genannten Partydrogenmilieu buchstabiert Eoin Moore (Buch und Regie) alles durch, was an Vorstellungen über die marginalisierten Plattenbauwelten von perspektivlosen Landstrichen kursiert: heillose Teenager, die sich früh und einzig Sex und Rausch hingeben; versehrte Eltern, die entweder nicht checken, was geht, oder gar nicht checken können, was geht, weil sie den ganzen Tag trinken. Und natürlich die obligaten Russen, die das ganze am Laufen halten, weil sie Drogen und Sex in die Szene einspeisen.

Moore inszeniert wild und impressionistisch, die mal traumverlorene, mal dynamische Musik gibt in jeder Szene den Ton an, auf den sich des Zuschauers Gefühl einstimmen kann – kurz: Es ist kaum auszuhalten. Zumal Einer von uns auch unbedingt zeigen muss, dass er polizeiarbeitstechnisch auf der Höhe ist und nehmen den kanonischen Spurensicherungsteams am Anfang nun auch eine Diskussion bei Lieferservice-Pizza aufbietet, die zeigen soll, wie die Polizei so denkt. Leider kommt man als Zuschauer nicht mit, und irgendwie wirkt dieser als instruktive gedachte Mummenschanz auf sehr bemüht.

Das ist auch das Stichwort für das Hauptärgernis: die Besetzung. Charly Hübner als "Bukoff" hat eine graue Vorgeschichte, war selbst ein krimineller Jugendlicher und hat einen im Rotlichtmilieu agierenden Vater (auch wenn ihn Klaus Manchen spielt), nur damit, siehe Titel, die streetcredibility stimmt. Das ist genauso lächerlich wie der ostentativ ausgestellte Bio-Stalinismus von LKA-Frau König. Der Gegensatz zwischen dem leicht psychopathischen Bukow und der ehrgeizigen, aufs gesunde Leben dressierten Frau funktioniert nicht. Von den restlichen Ermittlern wollen wir lieber schweigen und hoffen, dass sie einem vielleicht doch noch sympatisch werden.

Ein großer Running Gag sind die Verdächtigen in Handschellen, die durch den frisch grau gestrichenen Flur immer dann geführt werden, wenn etwas Hintergrundaction für sich unterhaltende Kommissare gebraucht wird. Immerhin, der Russe war's nicht. Wir wollen trotzdem Uwe Steimle zurück!

Ein Kommissar, der anpackt: "Ich will nicht lang rumquatschen, die Uhr tickt, wir müssen gleich los."

Man lernt nie aus: "Meine alte Wohnung, Dostojewski-Str. 7, das war ein russischer Dichter."

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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