'In Sachen Homöopathie' - noch'n Buch

Buch Brauchen wir noch ein Buch über Homöopathie? Sind 2885* Ergebnisse bei Amazon nicht genug?

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Brauchen wir noch ein Buch über Homöopathie? Sind 2885* Ergebnisse bei Amazon nicht genug? Natürlich nicht, solange nicht jedes Substantiv in einem Titel mit “Homöopathie” kombiniert wurde, ist noch Luft nach oben. Was bei der Suche nach Homöopathie auffällt, abgesehen vom omnipräsenten Sven Sommer, ist der Mangel an kritischer Literatur zum Thema. Auf Platz 13 findet sich die Homöopathie-Lüge von Christian Weymayr und Nicole Heißmann, alles davor sind bunte Bücher voller Lobhudelei der einfarbigen Konditorei. Ich bin nicht alle Suchergebnisse durchgegangen, doch das Buch “In Sachen Homöopathie” von Dr. Norbert Aust liegt ziemlich weit hinten. Leider.

Denn Aust hat im Grunde dort weitergemacht, wo Weymayr und Heißmann aufgehört haben. Bei “In Sachen Homöopathie handelt es sich um eine akribische Sektion der Homöopathie, ihrer Grundannahmen und Behauptungen. An einigen Stellen kann diese Akribie etwas anstrengend werden. Doch für MathelehrerInnen, die ihren Schülern die praktische Anwendung von Potenzen nahe bringen wollen, ist dieses Buch eine didaktische Goldgrube.

Aust macht nicht den Fehler, an irgendeiner Stelle voreilig zu sagen: “Das ist Quatsch!” Er nimmt die Homöopathie und ihre Annahmen ernst und denkt sie zu Ende und sagt dann… . Er ist sicher nicht der Erste der das gemacht hat, aber er hat es in eine, trotz der streckenweise trockenen Materie, gut lesbare und gut Strukturierte Form gegossen.

Wer die Materie kennt wird nicht viel Neues lernen, die Homöopathen haben eben in den letzten 200 Jahren auch nicht viel Neues gelernt. Das ist nicht dem Autoren anzulasten. Aber einige Perlen sind in dem Buch doch versteckt und wirklich Spaß macht die Lektüre, wenn Aust den sicheren Boden des Faktischen verlässt und sich und den Lesern erlaubt ein wenig zu spekulieren. Dabei bleibt er immer fair** aber seine Hypothesen zu den immer wieder herausgekramten Erfolge Hahnemanns während der Typhus-Epidemie in Leipzig und der geringen Sterberate in homöopathischen Krankenhäusern als in London die Cholera grassierte, sind erfrischend.

Dr. Aust folgt in seiner Vorgehensweise den Spuren Prof. Lambecks, der die Homöopathie auch immer ernster nahm als die Homöopathen (was denen irgendwie nicht Recht zu sein schien). Er rechnet vor wie oft ein Molekül in einer potenzierten Lösung durchschnittlich geschüttelt wird (11x***) und ab welchem Potenzierungsschritt sich an der Anzahl nichts mehr ändert. “Nichts” ist dabei im mathematischen, nicht im praktischen Sinne zu verstehen. Das ist wiederum so verrückt, das ich beim Lesen den Kopf schütteln musste. Vorsicht ist geboten, denn intensives Kopfschütteln führt bekanntlich zu Liquorpotenzierung. Es besteht dann die Gefahr der endogenen homöopathischen Intoxikation (ehI).

Natürlich hat Aust nichts verstanden, wendet er doch naturwissenschaftliche Methoden und Logik an um dem Phänomen Homöopathie auf die Spur zu kommen. Dabei sollte klar sein, dass “die Wissenschaft” noch nicht so weit ist. Ob sie jemals soweit sein wird, darf bezweifelt werden, denn Aust zeigt genug logische Fehler innerhalb des Systems auf, um seine Absurdität zu belegen. Dabei ist er im Ton moderat und sachlich…anders als der gewisser Blogger http://smilys.net/winkende_smilies/smiley4909smiley2343[1].

Leider gibt es doch ein Ärgernis. Im 8. Kapitel wirft Aust jegliche kritische Distanz über Bord und gibt dem “jämmerlichen Zustand” der “Schulmedizin” in Deutschland die Schuld am Erfolg der Homöopathie. Und wo im Rest des Buches mit Belegen und Quellen nicht gespart wird, zieht sich Dr. Aust hier auf (wahrscheinlich) im persönlichen Umfeld erlebte Anekdoten, aktuelle Medienberichte und Politikerschelte zurück. Auch das Bild von den vor allem pekuniär motivierten Ärzten wird bemüht, wenn auch mit Verständnis (Praxispersonal, Familie ernähren). Warum Homöopathie so erfolgreich verdient eine ebenso akribische Analyse, wie die Tatsache, dass der Erfolg nicht mit einer spezifischen Wirkung der “Arzneien” zusammenhängen kann.

Ich habe schon einige Ingenieure (und Innen) getroffen, die ein eher kritisches Verhältnis zu Medizin(erInnen) hatten, wahrscheinlich wegen der vielen Unschärfen, die sich im Alltag der Medizin ergeben****. Trotz dieses kleinen Wehrmutstropfens ist das Buch lesenswert für Kritiker und solche, die wissen wollen, was die Kritiker eigentlich eigentlich kritisieren.

*Die Anzahl der Suchergebnisse variiert von Mal zu mal und je nach Sortierung, die Richtung stimmt aber immer (>2500).

** Das werden nicht alle so sehen.

*** Gerundet http://s0.wp.com/wp-includes/images/smilies/icon_smile.gif?m=1129645325g

**** Eine nicht empirisch abgesicherte Meinung eines gewissen Bloggers http://smilys.net/winkende_smilies/smiley4909smiley2343[1].

Es sei darauf hingewiesen, dass der Autor mir ein Exemplar zur Rezension überließ. Ob daraus Interessenkonflikte entstehen, darf jede/r selbst entscheiden. Ich bedanke mich für die anregende Lektüre bei Dr. Norbert Aust.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

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