Eventuell Sexismus.

Ich auch. Es war gar nicht so schlimm. Meine Mutter hätte es als „Angabe“ oder „Einbildung“ interpretiert. Und es hätte für sie mit Macht oder Sexismus auch nichts zu tun gehabt.

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Diese, spontan an einem Abend entstandene Aneinanderreihung von Erinnerungen aus dem zwischenmenschlichen Bereich, könnte man eventuell auch mal einer "Neubewertung" unterziehen:

Mir wird im Vorbeiradeln am Jugend- und Freizeitzentrum in einer fremden Stadt, von einer jungen Frau lauthals nachgerufen: „Deine Beine möchte ich haben!“

Ich fahre als sechzehnjähriger mit dem Fahrrad an einer Schule vorbei: Eine johlende Mädchenklasse beugt sich aus den Fenstern. Irritierendes, lautes Geschrei und Pfiffe lassen mich leicht schlingern. Es war ausgerechnet die Klasse meiner Schwester, wie sie mir später erzählte.

Ein Türke, der mich in Deutschland in seinem Mercedes mitgenommen hat, fährt plötzlich in einen Waldweg und will „Ficki, ficki“ machen.

Eine junge Frau aus der Clique möchte mit mir Motorrad fahren. Sie umschlingt mich und lässt ihre Hände dann während der Fahrt zwischen meine Beine rutschen, um dort leicht tätschelnd wieder zuzufassen.

Ich bin im Süden der Türkei mit dem Rucksack unterwegs und überrage fast alle Menschen. Auffällig viele Frauenblicke fallen zwischen meine Beine auf die Jeans, so dass ich mich verunsichert zurückziehe, um den Sitz der Hose zu überprüfen.

Eine Frau, der ich auf einem großen Fest freundlich zugelächelt habe, kommt spät in der Nacht unangemeldet, überraschend und ohne Unterwäsche in das Gästezimmer und will unter meine Bettdecke.

Ein LKW-Fahrer drängt mir seine Pornohefte aus dem Handschuhfach auf und will unbedingt am nächsten Autohof anhalten, um dort mit mir zu duschen.

Studentenleben: Vier, etwa zwanzig Jahre ältere Frauen, sprechen mich aus dem Auto heraus an, fahren ausdauernd neben mir her und wollen mich wiederholt in ihren PKW einladen.

Ich habe seinerzeit in der Kneipe gejobbt und mit einer, mir an sich unbekannten Frau, zufällig teilweise den gleichen Nachhauseweg. Eine Aufforderung mit zu ihr raufzukommen, wird von mir wegen Übermüdung abgelehnt. Sie schlägt mich wütend aufbrausend, mehrfach heftig auf den Oberkörper.

Eine fremde Frau in einem weiten Rock sitzt neben mir im Kino und legt ihr nacktes Bein über die Stullehne auf meine Hand.

Es klingelt in der Nacht. Eine mir völlig unbekannte junge Frau: „Bin hier bei meiner Tante zu Besuch und hab` dich in deiner kurzen Hose auf deinem Rennrad gesehen. Jetzt will ich dich einfach mal besuchen.“

Meine Vorgesetzte bittet mich, ihr ins Bad zu folgen. Sie stellt sich auf Zehenspitzen vor den Spiegel, streckt den Po raus und sagt, während sie ihre rotgeschminkten Lippen betrachtet:“Ich hab da hinten auf der Hose einen dunklen Fleck, kannst du mal sehen was das ist und das wegmachen?“

Eine Frau von gegenüber, die überraschend in meine Wohnung kommt, bittet mich, ihren Hosenreißverschluss zu überprüfen. Bei angezogener Hose wohlgemerkt. Denn, ich hätte ja eine Nähmaschine.

Eine Nachbarin, fängt mich um ca. 22:00 Uhr im durchscheinenden Negligé auf dem Flur ab und will mir ihre Wohnung zeigen. Ich nehme mir höflicher Weise einige Minuten Zeit dafür, drehe vor der Schlafzimmertür allerdings entschlossen um und verabschiede mich freundlich.

Wochen später verfolgt sie mich zänkisch, schimpfend und greift hinterrücks mit einer Flasche an, um mich dann Tage später bei der Polizei wegen Körperverletzung anzuzeigen.

In einem Urlaubsbungalow in Spanien. Meine Frau liegt auf der Sonnenterasse und ich habe mich in das schattige Schlafzimmer verzogen. Ich schlafe wegen der Nachmittagshitze beinahe unbedeckt. Irgendwann bekomme ich im Halbschlaf mit, dass jemand hereinkommt und vermute es ist meine Frau. Als ich jedoch die Augen öffne, bemerke ich eine spanische Hotelangestellte. Sie steht an meinem Bett und macht Handbewegungen als schüttele sie gerade eine Ketchupflasche. Wobei sie mit der anderen Hand ungeniert auf meinen teilentblößten Unterleib weist. Dabei strahlt sie mich an:“Solle ich mache?“ Ich ziehe hektisch und erschrocken das Laken über mich.

Manche Menschen mögen von solchen oder ähnlichen Momenten träumen oder im Einzelfall, auch die selbstbewußte, aktiv fordernde Frau erkennen. Wenn man allerdings unvorbereitet von solch einem Verhalten überrascht wird, fühlt man sich im ersten Augenblick eher verunsichert oder auch hilflos.

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Der Einfachheit halber füge ich hier einen, wie ich zumindest fand, recht bemerkenswerten Kommentar nebst meiner Antwort an:

Torquat 31.01.2013 | 21:19

Der Unterschied ist doch, dass Du als Mann deswegen nicht dein Sozialverhalten änderst. Oder hättest Du jetzt Bedenken, z.B. wieder ein Hotel in Spanien zu besuchen oder durch die Türkei zu reisen? Oder gar alleine in eine Kneipe zu gehen?

Weil: Irgendwo um die nächste Ecke, hinter einer Tür oder zu guter Letzt auf der Polizei wirst Du immer andere Männer finden, die die Kräfte wieder ins Lot rücken. Und keiner wird Dir erzählen, dass es an deiner Art, dich zu kleiden lag oder was auch immer. Eswaren ja einfach nur die blöden Frauen...

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Meyko 01.02.2013 | 00:31

Zitat:„Der Unterschied ist doch, dass Du als Mann deswegen nicht dein Sozialverhalten änderst.“

Naja, ich gehe davon aus, dass ich von Beginn meines Lebens an, mein Sozialverhalten verändert, bzw. entwickelt habe. Kinder verhalten sich bekanntermaßen anders als Jugendliche es tun und Erwachsene sind je nach Alter und Familienstand unterschiedlich unterwegs. Und wenn man ein alter Mann ist, möge man sich bitte auch entsprechend verhalten. ;-)

Ich fahre allerdings tatsächlich immer noch dahin wo ich sein will. Jedoch nicht mehr so „unbekümmert“.

Ich achte noch mehr auf meine Kleidung, trage z.B. weite Hosen und schließe mein Schlafzimmer jetzt ab.

Auch habe ich Mitfahrern deutlich gesagt, wo man sich auf dem Motorrad sinnvoller Weise festhält.

Ich gehe meiner Nachbarin aus dem Weg und habe ihr über meinen Anwalt mit gerichtlichen Schritten gedroht, falls sie mir zu nahe kommt.

Aber ich wusste z.B. kürzlich wieder mal nicht so recht, was ich machen sollte, als sich eine Frau auf meine Faust setzte, mit der ich mich an einem Haltegriff eines britschen Flughafenbusses festhielt. Ich wollte im kurvenden Bus einerseits den Halt nicht verlieren und andererseits nicht die Aufmerksamkeit darauf lenken, um sie in der Öffentlichkeit nicht in Verlegenheit zu bringen. Auf Bewegungen mit meiner Hand bzw. dem Unterarm hat sie jedenfalls nicht reagiert. Gottseidank ist so eine Fahrt ja meistens eher kurz.

Ich vermute mal, mit meinen zunehmenden Falten, werden irgendwann auch die Distanzen zwischen den Geschlechtern wachsen.

Ein Nachtrag noch zu: "...wirst Du immer andere Männer finden, die die Kräfte wieder ins Lot rücken."

Häufiger tendieren (richtige) Männer aus irgendwelchen Gründen dazu, auf "die Seite der Frau zu springen" oder versuchen zumindest, das Geschehene mit Humor oder Witz zu entschärfen.

Nach den Sexismusdiskussionen bei Jauch, ZDF-login und Anne Will, ist die Debatte nun auch bei mir angekommen. So habe ich mich gestern Abend an den PC gesetzt, mich an einige Erlebnisse erinnert und diese unsortiert aufgeschrieben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Meyko

Mein BUCH DES JAHRES 2018 "Happen" wurde durch den weiteren Band "Happen II"ergänzt. (Homepagelink unten - Meyko 2018)

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