(97) Als das Geld konfus wurde

Umbau des Geldes "Die Andere Gesellschaft": Vierter Teil, fünfter Eintrag im achten Kapitel

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"So groß", schrieb ich, "ist nun mal die K o n f u s i o n des Geldes, dass es so vielfach a u f g e l ö s t werden muss": in "Vollgeld" und Geld, das nur wie Geld funktioniert, dann in die Geldfunktionen - Tauschen, Zahlen, Aufbewahren, die keineswegs gleichzeitig und an dieselbe Sache gebunden entstanden sind -, weiter in materielles und immaterielles Geld, Gesellschafts- und Individualgeld, Möglichkeits- und Unmöglichkeitsgeld. Man sieht schon, wir reden nicht bloß von einer b e g r i f f l i c h e n Konfusion, als wenn es nur noch nicht gelungen wäre, der klaren Tatsächlichkeit "des" Geldes mit ebenso klarer Erkenntnis gerecht zu werden, sondern es selber ist o b j e k t i v unklar, eine Vermengung von Sachen, die besser getrennt geblieben wären. Hier ist zusammengewachsen, was nicht zusammengehört.



Der wesentliche Schritt dahin war die Erfindung der Münze. Das ist hierzulande seit Alfred Sohn-Rethel bekannt, auf dessen Argumente ich mich aber nicht stützen kann, aus Gründen, die in dieser Blogreihe schon erörtert wurden. Es ist fast genau zwei Jahre her, dass ich Sohn-Rethels Hauptirrtum hervorgehoben habe (worin ich nicht originell war, andere haben es vor mir getan), der darin besteht, dass er meint, mit der Münze habe das Geld einen überaus hohen Grad von A b s t r a k t h e i t erreicht und das sei der Grund, weshalb da, wo sie erstmals auftritt, eine ganz neuartige, nämlich die wissenschaftliche Naturbetrachtung aufkommt, die sich ebenfalls durch Abstraktheit auszeichne.


Was ist für Sohn-Rethel die "Abstraktion"? Ein zwar überallgemeiner, aber doch k l a r e r Sachverhalt. Denn Mathematik sei es, Abstraktheit also, was die Naturwissenschaft auszeichne, und wer wollte bezweifeln, dass Mathematik "klar und distinkt" ist, ich jedenfalls bezweifle es nicht. Wenn aber die Münze die ökonomische Basis der Naturwissenschaft ist und so zu deren Erklärung taugt, muss Sohn-Rethel unterstellen, dass a u c h d e r e n Abstraktheit, wie schon diejenige des Tauschs überhaupt (Sohn-Rethel zufolge wird während des Tauschs von der Raumzeitlichkeit des zu Tauschenden abstrahiert), klar und distinkt sei. Es ist denn auch offensichtlich, dass er wie vor ihm Marx, der sich seinerseits auf Aristoteles berufen kann, im Geld, das als Münze zu sich selbst gekommen sein soll, die verkörperte Mathematik des Zählens sieht - man hat soundsoviel und stellt sich vor, wie schön es wäre, wenn man mehr hätte, immer noch mehr.


Was kann klarer sein als das mathematische Zählen? Das wahre Verhältnis der Münze zur Klarheit liegt jedoch darin, dass sie das Gegenteil davon ist. Statt klar zu sein, ist sie ein wirres Palimpsest, sie ist, wie gesagt, konfus.





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Wir sind nicht mehr auf Sohn-Rethel angewiesen, seit das vieldiskutierte Buch von David Graeber vorliegt: Schulden. Die ersten 5.000 Jahre, Stuttgart 2012. Graeber kann auf Forschungen angelsächsischer Autoren zurückgreifen, von denen Sohn-Rethels Befund, dass Münze und Naturwissenschaft nicht zufällig zur gleichen Zeit entstanden sind, zwar durchaus gestützt wird, sie ihn aber in einen größeren und nun erst plausiblen Kontext stellen. Entscheidend ist, dass Münzen nicht nur in Griechenland, sondern in derselben "Achsenzeit" - Graeber bedient sich des Ausdrucks von Karl Jaspers - auch in Indien und China entstanden sind. Das war eine Zeit der politischen und kulturellen Krise, in der die Individuen auf sich selbst zurückgeworfen wurden, weil der soziale Zusammenhalt unsicher geworden war, eine Entwicklung, die von der Innovation der Münze nicht nur gespiegelt, sondern auch beschleunigt wurde. Man kann nun beobachten, dass es in allen Gegenden, wo sie erscheint, zu ähnlichen kulturellen Reaktionen kommt. Zuerst nämlich zum unmittelbaren Reflex, dass die vorhandene Sittlichkeit zersetzt wird und eine Moral sich hervortraut, die dem Einzelnen und seiner asozialen Macht huldigt. Davon lassen sich dann die kulturellen Abwehrkräfte aufrufen, und nun erst, als diese Reaktion auf die Reaktion, kommen die neuen Leitlinien eines Buddha, eines Konfuzius zustande, für deren Boden wir mit Jaspers die "Achsenzeit" ansehen.


Was in Griechenland das Entsprechende ist, liegt auf der Hand. Hier wäre die sophistische Lehre als der unmittelbare Zersetzungsreflex anzusehen, auf den Sokrates mit der strikten Trennung von Gutsein und Mächtigsein reagiert und Platon mit der Erfindung der "Philosophie", die bei ihm vorwiegend politische ist. Nun wissen wir aber, die Sophisten waren nicht die Ersten, die reagiert haben. Philosophie avant la lettre beginnt bereits mit Thales und Anaximander, und zur Idee von so etwas wie Mathematisierung kommt es, ebenfalls noch bevor Sophisten auf den Plan treten, bei den Pythagoreern. Um diese Entwicklung zu begreifen, müssen wir über Graeber hinausgehen, aber es ist gerade seine Perspektive, die sie uns neu begreifen lehrt. Wir bleiben dabei, einen Zusammenhang anzunehmen zwischen dem, was die neu entstandene Münze auslöst, einerseits und der neuen Philosophie inklusive rudimentärer Mathematisierung bereits bei den Pythagoreern andererseits. Im Vergleich damit, wie in andern Weltregionen auf die Münze reagiert wurde, sehen wir den einzigartigen Gedanken, auf den nur die griechischen Philosophen verfallen.


Es ist der Gedanke der noch unverwirklichten Möglichkeit. Darauf kann allerdings kommen, wer die Münze beobachtet, mit der man wahlweise verschiedene Waren kauft, denn solange man es nicht getan hat, ist der Kauf eben nur möglich, nicht mehr noch weniger als das, und diese Möglichkeit wird von der Münze verkörpert. Die Münze ist die Kaufbarkeit oder mit andern Worten die Möglichkeit der Ware. Mehr noch, sie ist Möglichkeit in dem zugespitzten Sinn, dass man mit ihr die eine, aber auch die andere Ware kaufen kann. Diese Eigenschaft unterscheidet sie zwar nicht vom vorgängigen Individualgeld, wird aber erst in ihr vollends sinnfällig, weil man erstmals alles kaufen kann, was überhaupt kaufbar ist.


Der Gedanke, dass das Mögliche im Stadium, wo es noch der Verwirklichung harrt, dann auch für sich begrifflich isoliert werden kann, kommt zwar erst ganz allmählich auf, ist aber doch schon von Thales, dem ersten Philosophen, in bildlich verschleierter Gestalt gedacht worden. Denn was soll man davon halten, dass er behauptet, alles sei a u s d e m W a s s e r entstanden? Im Wasser ist das Leben entstanden, sagen wir noch heute und nehmen somit eine Zeit an, in der das Leben noch nicht entstanden, vor allem dem Meer noch nicht entstiegen und an Land gegangen war. In dieser Zeit war das Leben möglich, noch nicht wirklich. Die Griechen haben ähnlich gedacht. Bei ihnen entsteigt Aphrodite dem Meer. Für Hesiod steht das "Chaos" am Anfang von Allem, auch er denkt ans Meer. Ich bin auf diesen Zusammenhang von Meer und Möglichkeit durch meine Arbeit über Goethes Fausttragödie gestoßen, in der er eine zentrale Rolle spielt (online-Fassung auf "Kommune 6 - 2012", dort mit der Suchfunktion zu "Fassung mit erweitertem Anmerkungsapparat" und klicken).


Graeber sieht im Meer des Thales nur die "Substanz, die sich in alles verwandeln konnte" (a.a.O., S. 258). Das ist aber schon aus der Perspektive der nachfolgenden Philosophen gedacht, für die das Meer eins von mehreren "Elementen" ist, aus denen sich die Welt zusammensetze, auf welchem Weg sie schließlich bei den "Atomen" als den eigentlichen Elementen anlangen. Da folge ich Graeber nicht, denn zuerst ist eben nur vom Meer die Rede, und das Meer verwandelt sich zwar in Eis, in Wolken und Regen, aber nicht "in alles". Viel wichtiger ist, dass ihm etwas entsteigen kann, Aphrodite zum Beispiel. Das Meer verwandelt sich nicht in sie, macht sie aber möglich.


"Möglichkeit" ist nun auch eine Abstraktion, die aber, wie wir sehen, zuerst als etwas Konkretes gedacht wurde, eben als Meer. Es ist eben n i c h t d a s W e s e n t l i c h e am Möglichkeitsbegriff, dass es ein "abstrakter" Begriff ist. Er kann ja nur abstrakt sein, weil er das (noch) Unverwirklichte meint. Beachten sollten wir, dass diese Abstraktion nichts Klares und Distinktes bezeichnet. Denn Möglichkeit ist grundsätzlich verworren. Die Verworrenheit kann in verschiedenen Richtungen aufgelöst werden, das wäre Verwirklichung. Der Begriff, den die griechische Philosophie für diesen Sachverhalt ausbildete, ist ins Lateinische übersetzt die "Materie", im Unterschied zur "Form". Materie ist Möglichkeit.


Weil sie so formlos ist, erregt sie auch Angst, wie schon von Anaximander, dem anderen sehr frühen Philosophen, bedacht wurde. Sein Vorbegriff von ihr war das "apeiron", das Unbegrenzte. Wie konnte man dieses bedrohliche Ding in Schach halten, das sich von seiner Nichtexistenz - es war ja nur möglich -, nicht abhalten ließ, haltlos in alle Richtungen zu zerfließen? Die Antwort der Pythagoreer bestand darin, dass sie sich auf die Zahlen warfen, die rein für sich genommen ebenfalls unwirklich waren, zugleich aber nicht apeiron, unbegrenzt waren, sondern Zahl für Zahl über sichere Außengrenzen verfügten. Nun, das war nur der Anfang des mathematischen Denkens, in dem das Problem des apeiron bald genug immanent wiederkehrte, weil die Zahlen, so begrenzt jede einzelne auch war, ihrerseits ins Unbegrenzte fortgezählt werden konnten.


Durch diesen langen Umweg also hängen Münze und Mathematik zusammen. Es ist kein Zusammenhang, der die Mathematik irgendwie diskreditieren könnte. Durch die Münze war es leichter geworden, sich bewusst zu machen, dass es so etwas wie Möglichkeit gibt, das ist alles. Das heißt nicht umgekehrt, dass Möglichkeit sich besonders getreu in der Münze verkörpere. Mathematik, die wir als die Wissenschaft von den Möglichkeitsgrenzen ansehen dürfen, hängt mit der Münze nur historisch zusammen, nicht logisch.


Bald aber gehen Mathematik und Philosophie getrennte, wenn auch nicht unverbundene Wege, und von der weiteren Entwicklung der Philosophie kann man schon sagen, dass sie das Mal der Münze nicht los wird. Sie hört nämlich nicht auf, über das grenzenlos Unendliche nachzudenken, und macht schließlich diese Zwangsidee zum positiven Wert, ja zum Gottesbegriff. Das geschieht seit Beginn der Neuzeit. Es ist damit verbunden, dass das Unendliche nicht mehr als das nur Mögliche gedacht wird, sondern gerade zum Inbegriff der Wirklichkeit wird (des "Seienden", um mit Heidegger zu sprechen). Was steht Modell, wenn nicht die Münze und das Geld überhaupt, wie es seit Einführung der Münze gedacht wird? Wird doch noch heute behauptet, dass mit Geld, je mehr man davon hat, angeblich "alles" getan werden kann. "Das" Geld ist noch heute das apeiron.




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Wir wollen nun seiner Konfusion zu Leibe gehen, zunächst nur h i s t o r i s c h und das mit Graeber, aus dessen Darstellung man herauslesen kann, dass bei der Einführung der Münze alles schief ging und dem Staat gerade dadurch, dass er sie als Kontrollmittel einführte, die Kontrolle entglitt. L o g i s c h läuft das, in meiner Terminologie, darauf hinaus, dass in diesem Moment die weisliche Scheidung von Gesellschaftsgeld und individuellem Geld zusammenbrach. In Gestalt der Münze waren Gesellschafts- und Individualgeld dasselbe geworden, eine einzige Konfusion, was sofort den Effekt haben musste, dass die individuelle Münzdimension sich über die gesellschaftliche erhob. Ich gebe Graeber das Wort:


"Ein durchschnittlicher sumerischer Bauer hatte wahrscheinlich nie die Gelegenheit, ein größeres Stück Silber in der Hand zu halten, außer vielleicht bei seiner Hochzeit. Der Großteil der Edelmetalle lag in Form von Fußringen für wohlhabende Damen oder von Kelchen vor, die Könige ihren Gefolgsleuten schenkten, oder sie wurden schlicht in Form von Barren in Tempeln aufbewahrt, als Sicherheit für Darlehen. Im Verlauf der Achsenzeit begann sich dies grundlegend zu ändern. Große Mengen von Gold, Silber und Kupfer wurden d e t h e s a u r i e r t , wie Wirtschaftshistoriker es nennen: Sie wurden aus den Tempeln und den Häusern der Reichen geholt und wanderten in die Hände gewöhnlicher Menschen, sie wurden in kleinere Stücke zerschlagen und schließlich für alltägliche Einkäufe und Verkäufe verwendet. Wie kam es dazu? Der Altertumsforscher David Schaps liefert die plausibelste Erklärung: Der größte Teil davon wurde gestohlen. Diese Epoche war von langwierigen kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt, und Krieg geht erfahrungsgemäß immer auch mit dem Raub von Wertgegenständen einher." (A.a.O., S. 238)


Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Armee "nicht mehr aus aristokratischen Kriegern und deren Gefolgsleuten bestand, sondern aus ausgebildeten Berufssoldaten". Solche mussten "materiell entlohnt werden". "Den Söldnern jeweils einen kleinen Teil des Beuteguts zukommen zu lassen, erschien [...] als naheliegende Lösung. Diese neuen Armeen unterstanden mittelbar oder unmittelbar den Regierungen, und nur durch Regierungen konnten diese Metallklumpen in echte Währungen umgewandelt werden. Der Hauptgrund war die Größenordnung: Um ausreichend viele Münzen zu prägen, damit ein ganzes Volk sie für seine Alltagsgeschäfte nutzen konnte, war eine Massenproduktion erforderlich [...]." (S. 238 f.)


Was in diesen Sätzen übersprungen ist - welchen Sinn hat es, nicht nur Soldaten, sondern "ein ganzes Volk" mit Münzen zu versorgen? -, sagt Graeber an anderer Stelle:


"Märkte entstanden eindeutig im Zusammenhang mit den Armeen der Antike; wir brauchen nur einen Blick auf Kautylas Arthashastra zu werfen, den 'Kreis der Souveränität' der Sassaniden oder die chinesischen 'Reden über Salz und Eisen', dann stellen wir fest, dass die meisten antiken Herrscher einen großen Teil ihrer Zeit darauf verwendeten, über die Beziehung zwischen Minen, Soldaten, Steuern und Essen nachzudenken. Die meisten kamen zu dem Schluss, derartige Märkte seien nicht nur hilfreich, um die Soldaten zu ernähren, sondern in vielerlei Weise nützlich, denn ihre Existenz bedeutete, dass die Beamten nicht mehr alles, was sie brauchten, bei der breiten Bevölkerung requirieren oder die Möglichkeit ersinnen mussten, wie man es auf den königlichen Ländereien und in den königlichen Werkstätten produzieren konnte." Kurz zusammengefasst: "Wenn man [...] den Soldaten einfach Münzen gab und dann verfügte, jede Familie im Königreich habe dem König eine solche Münze zu zahlen, dann hatte man mit einem Schlag seine ganze Volkswirtschaft in eine gewaltige Maschinerie zur Versorgung der Soldaten verwandelt. [...] Als Nebeneffekt entstanden Märkte." (S. 56)


So auch in Griechenland. "Wohl dienten die griechischen Münzen zunächst hauptsächlich dazu, Soldaten zu entlohnen, Strafen und Gebühren zu zahlen und Abgaben an die Regierung zu entrichten. Die griechischen Stadtstaaten gaben als Zeichen ihrer Unabhängigkeit ihre eigenen Münzen aus. Es dauerte nicht lange, bis die Münzen überall für alltägliche Geschäfte verwendet wurden. Ab dem 5. Jahrhundert fungierte in den griechischen Städten die Agorá, der Platz, auf dem öffentliche Debatten und Bürgerversammlungen stattfanden, auch als Marktplatz." (S. 195 f.)


Weit entfernt waren solche frühen Staaten von der Furcht, der Bürger, mit der Münze bewehrt, habe womöglich mehr Macht als früher, sich von ihnen, den Staaten, zu emanzipieren. Im Gegenteil, die Münze erschien als besonders raffiniertes Kontroll- und Steuerungsmittel. Das wird noch im 20. Jahrhundert an der Geschichte deutlich, die Graeber von Madagaskar erzählt: "Der französische General Gallieni [...] erließ [...] als eine der ersten Entscheidungen nach der vollständigen Einnahme der Insel 1901 eine Kopfsteuer. Sie war nicht nur ziemlich hoch veranschlagt, sie musste auch in den neu geschaffenen madagassischen Francs bezahlt werden. Mit anderen Worten: Gallieni ließ Geld drucken und verlangte dann, alle Bewohner der Insel sollten ihm davon etwas abgeben." Dass ihnen ein Teil des Geldes gelassen wurde, geschah auch nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern sie sollten sich zu modernen Konsumisten erziehen und Waren vor allem aus Frankreich kaufen. (S. 57) Hier ahnt man schon: Was mit den Münzen wirklich geschieht, darauf hat zwar ein General in einem kolonisierten Land viel Einfluss, aber es kommt vor, dass Kolonien sich befreien und ihr Konsumgut dann anderswo kaufen als bei der einstigen Kolonialmacht.


Einmal in Bürgerhand, können Münzen eine selbständige Macht gegen den Staat, der sie emittiert, begründen. Es bedarf dazu noch weiterer Bedingungen, die nur im neuzeitlichen Europa gegeben waren, davon war in früheren Kapiteln dieser Blogreihe die Rede. Die erste, elementare Bedingung ist aber wirklich die Münze selbst - weil eben nicht immer eintritt, was Christus fordert: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist." Damit wollte er sagen, der Münze ist das Kaiserbild aufgeprägt zum Zeichen, dass es ihm, dem Kaiser, gehört und also zu ihm zurückfließen soll. Ja, wenn sie das immer täte! Dann könnte "der Kaiser", der Staat weiterhin nicht nur die Münze, sondern die gesellschaftliche Ökonomie prägen. Das heißt, auch die Münze noch würde als Gesellschaftsgeld funktionieren, obwohl sie ersichtlich zugleich Individualgeld ist. Aber sie fließt eben nicht immer zurück. Dadurch, dass der Staat es wagt, G e s e l l s c h a f t s - m i t I n d i v i d u a l g e l d z u v e r s c h m e l z e n , z u k o n f u n d i e r e n , untergräbt er auf lange Sicht seine Dominanz über die Gesellschaft. Auf noch längere Sicht verurteilt er die Gesellschaft dazu, sich in einer chaotischen, von Krise zu Krise taumelnden Ökonomie zu bewegen. Dann jedenfalls, wenn sie nicht lernt, sich selbst zu steuern.


Vom Gesellschaftsgeld ist dies und das übriggeblieben, zum Beispiel steht der Bundesadler auf der Rückseite des Euro. Aber davon haben wir nichts.

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Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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