Lasst es Bonbons stürmen

Candystorm Die Grünen haben auf ihrem Parteitag am Wochenende mal wieder einen neuen Trend gesetzt: Metaphern wörtlich nehmen. Für Claudia Roth könnte das noch gefährlich werden
„Berührt hat mich etwas, was ich bislang gar nicht kannte: ein Candystorm“
„Berührt hat mich etwas, was ich bislang gar nicht kannte: ein Candystorm“

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Claudia Roth hat auf dem Parteitag einen Candystorm erlebt. „Candystorm“ ist die neo-anglizistische Wortschöpfung ihres grünen Parteikollegen Volker Beck. Er hatte nach der dramatischen Urwahl zu einer Online-Lobpreisung von Roth aufgerufen, also zum Gegenteil des im Internet sonst üblichen „Shitstorms“, bei dem eine Person übelst beschimpft wird. Der Aufruf glückte, die 57-Jährige wurde virtuell gefeiert und der Begriff „Candystorm“ fand Eingang in den Sprachgebrauch. Am vergangenen Wochenende nun folgte ein echter Candystorm: Grünen-Delegierte bewarfen Claudia Roth ganz real mit Bonbons (engl. „candy“, Süßigkeiten).

Dass Wortschöpfungen und Politiker-Phrasen in die Tat umgesetzt werden, ist ein absolutes Novum in der deutschen Politik. Niemand hatte bislang damit gerechnet, dass die Metaphern der Regierenden irgendetwas bedeuten könnten, geschweige denn verwirklicht würden. Claudia Roths Erleichterung („Berührt hat mich etwas, was ich bislang gar nicht kannte: ein Candystorm“), ist denn auch darauf zurückzuführen, dass sie nach ihrer Bewerbungsrede befürchtet hatte, sich eine „herbe Klatsche“ einzufangen. Froh war man auch, heißt es aus ihrem Umfeld, dass es nur einen „Candystorm“ gab und nicht, wie von Journalisten aufgrund eines Missverständnisses anfangs erwartet, einen „Handystorm“. Alle Delegierten hatten im Vorfeld des Parteitags ihre Mobiltelefone abgeben müssen.

Video: Ein Candystorm vor Claudia Roth

Ein sicherheitspolitischer Sprecher der Bundesregierung warnte nun vor der weiteren Umsetzung von Politiker-Rhetorik. Das Ausleben von Metaphern könnte zu „schwerwiegenden Missverständnissen“ und sogar zu „politischen Unruhen“ führen. Politiker wurden zudem aufgerufen, auf Katachresen, also schiefe Bilder, zu verzichten, da deren reale Umsetzung besonders schwerwiegende Folgen haben würde. So hatte ein linker Abgeordneter in Hannover geäußert, es sei wichtig, dass Roth vor dem Wahljahr 2013 „nicht von der Stange geht“. Große Verwirrung herrschte auch darüber, inwiefern die Aussage des Co-Vorsitzenden Cem Özdemir, er wolle weiter der „Mann von Claudia“ sein, im Anschluss an den „Candystorm“ ebenfalls in die Tat umgesetzt worden war.

Unbestätigt blieben Gerüchte aus der Parteizentrale, dass sich eine radikale Fundamentalopposition gebildet habe, die für den Fall, dass Claudia Roth mit der CDU koalieren werde, einen echten „Shitstorm“ plane.

Als gesichert hingegen gilt, dass Claudia Roth auch in Zukunft nicht „ihr Licht unter den Scheffel stellen“ werde.

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