An Stelle von Capa

Zeitbilder C/O Berlin präsentiert die legendäre Foto-Agentur Magnum und will damit die neue Rolle der Fotografie erklären. Man könnte es fast als Retrospektive bezeichnen

Nichts weniger als die Entwicklung der Fotografie in den letzten 60 Jahren wollen die Kuratoren zum zehnten Geburtstag von C/O Berlin, the international Forum of visual Dialogues, mit der aktuellen Ausstellung resümieren. Ausgewählt haben sie dafür die Bilder der Fotoagentur Magnum, die 1947 von Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, George Rodger und David Seymour gegründet wurde, um den Fotografen mehr Rechte über die eigenen Bilder zu geben und sie als eigenständige Künstler zu etablieren. Von den Gründerjahren bis zu den jungen Künstlern der Agentur führt die Schau mit dem Titel Magnum. Shifting Media. Die neue Rolle der Fotografie soll dem Besucher erklärt werden, doch das gelingt nicht durchgehend.

Mit den Fotografien der vier weltbekannten Gründer beginnt die Ausstellung im Berliner Postfuhramt, aus dem C/O Berlin wegen geänderter Besitzverhältnisse wohl wird ausziehen müssen. Es sind dies die Bilder, die zu stilistischen und journalistischen Ikonen geworden sind. So schön es ist, gute Bekannte zu treffen, die einen an die schöne alte Zeit erinnern – die Frage bleibt, was daraus für die Zukunft gewonnen werden kann. Noch immer gehören die Magnum-Fotografen zu den besten der Welt. Aus der Masse herauszuragen ist für einzelne Bilder jedoch immer schwerer.

Capas Reportagefotos von der Gründung Israels, George Rodgers Aufnahmen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges – seinerzeit war die Fotografie das mächtigste nachrichtliche Medium. Über seine Aufnahmen von KZ-Häftlingen sagte Rodgers: „Man hätte den Amerikanern Bergen-Belsen nicht mit Worten erklären können.“ Es sind geschichtliche Dokumente, die zum kollektiven Gedächtnis gehören.

Kunst statt bloßes Abbild

Dorthin zu gelangen ist in der Gegenwart von digitalen Bildermassen für die Fotografie fast unmöglich geworden – folglich definiert sich die Agentur heute mehr und mehr über die künstlerischen Darstellungsformen. Das Bild wird nicht allein wegen seiner zeitgeschichtlichen Bedeutung zur Ikone, sondern wird von Anfang an aufgenommen, um als Kunstwerk für sich zu stehen. Die Bilder der jüngeren Magnum-Fotografen, die alle nach 1970 geboren sind, sollen diese Entwicklung illustrieren. Die Aufgabe der neuen Magnum-Fotografen ist es, ihre Bilder abzugrenzen von der Masse, neue Blickwinkel zu finden.

Lediglich in den Diaprojektionen, die sich Armut und Elend widmen, gelingt es, in dieser Weise zu überzeugen. Vor den überlebensgroßen Porträts und Kriegsszenerien, die vor einer enervierenden Geräuschkulisse dargeboten werden, erlangt man eine Ahnung vom Magnum-Gespür für die Möglichkeiten, die die modernen Medien für die Fotografie darstellen.

Wie sehr die neuen Magnum-Fotos zu Kunstobjekten avanciert sind, zeigt der nordirische Fotograf Donovan Wylie in seiner Serie über das Belfaster Maze-Gefängnis. Über hundert Tage habe er mit der Serie zugebracht, ein Projekt sollte es sein, bei dem in seinen Bildern die ganze Bedeutungsschwere erkennbar ist, erzählt Wylie. Den besten Fotografen mag das Verdichten des Augenblicks im ikonischen Bild noch immer gelingen, wovon die Ausstellung Magnum auch zeugt. Deutlich wird aber, dass der Kontext, in dem Capa oder Cartier-Bresson stilprägend werden konnten, unwiderruflich verloren ist.

Magnum. Shifting Media C/O Berlin, Postfuhramt, Berlin. Bis 19. September

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Geschrieben von

Moritz Piehler

Moritz ist freier Journalist und Fotograf aus Hamburg. Studiert hat er mal Amerikanistik, Lateinamerikastudien und Sport, Grund genug, sich in diesen Themen weiter zu bewegen.

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