Den Strittmatters zu Ehren

Literatur Matinee in Cottbus

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Michael Becker, Dr. Knut Strittmatter, Renate Brucke, Oliver Breite und Matthias Stark nach der Strittmatter-Lesung in Cottbus (v.l.n.r)

Da sind wir also wieder, sitzen auf der Bühne der ausverkauften Theaterscheune in Cottbus. Zum zweiten Mal wollen wir hier aus unserem gemeinsamen Buch „Von Bohsdorf nach Schulzenhof“ lesen. Das Publikum ist in freudiger Erwartung. Wir sind einen Tick zu zeitig auf der Bühne erschienen, das letzte Klingeln ist gerade verstummt und die Saaltüren noch nicht ganz geschlossen. Das gibt mir die Möglichkeit, meine Mitstreiter zu mustern.

Ganz außen hat Oliver Breite Platz genommen. Der aus Film und Fernsehen bekannte Schauspieler brillierte in der Rolle des Esau Matt in der „Laden“-Inszenierung am Staatstheater Cottbus. Als ein feinsinniger Künstler mit Gespür für die Nuancen seiner Rollen gab er der Strittmatter-Figur Esau Gestalt und Stimme. Im Buch stand er uns als Interviewpartner zur Verfügung.

Neben ihm sitzt Michael Becker, langjähriges Ensemblemitglied am Staatstheater der Lausitzmetropole. Er verkörperte den Großvater Kulka im „Laden“, gab ihm seine Seele. Nach eigenem Bekunden eine Traumrolle und einer der Höhepunkte in seiner Karriere. Seit Micha Becker im Unruhestand weilt, ist er mit seinem „Lesetheater“ unterwegs. Neben eigenen Texten aus seinen fünf bisher erschienen Büchern bringt Becker dabei u.a. Mascha Kaleko oder Bertold Brecht zu Gehör. Gemeinsam wollen beide Schauspieler Texte aus dem Theaterstück lesen, werden Großvater Kulka und Esau kurz auferstehen lassen.

In die goldene Mitte haben wir als einzige Frau Renate Brucke gesetzt. Sie ist die rührige und engagierte Vereinsvorsitzende des Strittmatter-Vereins, seine gute Seele und Ideengeberin. Ohne ihr Engagement und ihren Einsatz bei der Pflege des Erbes von Erwin Strittmatter und der Gedenkstätte in Bohsdorf gäbe es so manche Veranstaltung nicht. Auch sie ist als ehemalige Lehrerin im Unruhestand.

Mein Nachbar auf der Bühne ist Dr. Knut Strittmatter. Der zweitälteste Sohn des Romanciers hat sich in Fachkreisen der Schafzüchter einen Namen gemacht, obwohl er eigentlich mal vorhatte, Literaturwissenschaft zu studieren. Das redete ihm sein berühmter Vater aber aus. Auch er ist im Ruhestand und nun damit beschäftigt, das Andenken an seinen Vater wach zu halten und ihn vor den Anfechtungen der letzten Jahre in Schutz zu nehmen.

Nachdem bekannt geworden war, dass Erwin Strittmatter über seine Militärvergangenheit einige Tatsachen verschwiegen hatte, war er als ostdeutscher Erfolgsautor mit gewisser Häme und Herablassung, auch Nichtbeachtung bedacht worden. Mittlerweile hat sich die Aufregung etwas gelegt und ist einer nüchternen Betrachtung der Tatsachen gewichen.

Insgesamt 38 Text- und Bildautoren haben an der Anthologie „Von Bohsdorf nach Schulzenhof – Auf den Spuren von Eva und Erwin Strittmatter“ mitgewirkt, bei deren Entstehen auch ich als Mitherausgeber neben Renate Brucke meinen Beitrag leisten durfte. Die Autoren berichten in dem Buch über ihre Begegnungen mit dem Schriftstellerpaar, die persönlichen wie die literarischen. Einige der Texte und Interviews sollen nun auf der Bühne vorgestellt werden. Wir wollen an ein Schriftstellerpaar erinnern, das schon zu Lebzeiten Legende war. Ihren Werken sind ganze Generationen von Menschen begegnet. Ihre Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt, Erwins Romane teilweise verfilmt oder auf der Theaterbühne dramatisiert.

Das Publikum wird langsam unruhig, fiebert dem Beginn entgegen. Es wird uns nach zwei Stunden auf bewegende Weise mit viel Applaus danken. Eva und Erwin Strittmatter haben noch immer eine treue Leserschaft, einige sind heute zu uns gekommen. Im Saal wird es ganz still, dann beginnen wir zu lesen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Matthias Stark

Autor von Lyrik, Prosa und Essay

Matthias Stark

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