Wenn die letzte Hoffnung "Orban" heißt

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Die ehemalige Republik Ungarn welche seit dem 1. Januar 2012 mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung nur noch Ungarn heißt, bekommt in ihrem rechtskonservativen Kurs jetzt Deckung vom ehemaligen Ministerpräsidenten von Bayern, Edmund Stoiber. Dieser macht sich zugleich als Orban-Ratgeber erkenntlich. Einige Politiker der CSU, neben der es rechts von ihr bekanntlich nur noch die Wand gibt (Franz Josef Strauß) gelten schon länger als Fürsprecher der ungarischen Regierungs-Politik.

Vor wenigen Tagen gab Stoiber ein Interview in der deutschsprachigen Budapester Zeitung. Angesichts der zuletzt harten Töne aus Brüssel gegen Ungarn bezüglich seiner Wirtschaftspolitik und dem enormen Defiziten im Haushalt, äußerte Stoiber sich wohlwollend gegenüber der ungarischen Regierung. Er könne verstehen, dass sich die Ungarn „etwas hart angepackt fühlen“ da andere Länder beträchtliche Hilfen erhalten. Er glaube dabei an die Einsicht der Beteiligten und das „die Probleme im Gespräch zwischen der Kommission und der ungarischen Regierung gelöst werden können“. Ungarns Kohäsionsgelder, die ärmere EU-Staaten als Fördergelder erhalten, wurden von der EU mittlerweile eingefroren. Das Land leidet unter einer schwachen Binnenwirtschaft. Mit verschiedenen Gesetzesvorhaben geriet das Land in Konflikt mit EU-Recht.

Ein wichtiges Anliegen der Budapester Zeitung an den ehemaligen Ministerpräsidenten war aber ebenso die Frage, ‚wo sind die deutschen Konservativen Fürsprecher’ in der Debatte um Ungarn, welches seit geraumer Zeit aufgrund seiner Politik unter starker Kritik in einigen Medien steht. „Linksliberalen Meinungsmachern“ müsse seitens der Konservativen die „Deutungshoheit“ streitig gemacht werden. Stoiber hält dem zumindest die neonazistische Jobbik-Partei entgegen, die maßgeblich die Stimmung im Land anheizt und die Wahrnehmung von Ungarn in der Öffentichkeit prägt, vor der beispielsweise immer mehr Roma in andere Länder emigrieren. Allein die Emigration ungarischer Roma nach Kanada hatte sich von 2010 auf 2011 fast verdoppelt. Solche Tatsachen erschweren bedingungslosen Rückhalt. Immerhin stellte Stoiber fest, das die Jobbik dem „Antisemitismus nicht klar entgegentritt“. Vom Gegenteil wäre auch kaum auszugehen. Durch NS-verherrlichende und antisemitischer Ausfälle, ebenso wie durch uniformierte Aufmärsche lässt die Jobbik wenig Zweifel an ihrem politischen Profil offen. Die Partei "zurückzudrängen" und den Menschen die der „demokratischen Rechten“ zuzuordnen wären, „innerhalb des Fidesz eine Heimat zu geben“, das zumindest sieht Stoiber als wichtig an.


„Gott segne den Ungarn“

Als Präambel ziert ein „nationales Glaubensbekenntnis“ die neue Verfassung. Die Fidesz konnte sich leicht durch ihre Zweidrittel-Mehrheit im Parlament durchsetzen und forciert mit dem Einschwören in der Verfassung auf Gott, Krone und Vaterland das rechtskonservative Weltbild. Einige sehen in dem nationalistisch-konservativen Kurs in Ungarn bereits einen protofaschistischen Staat. Die Einführung eines Arbeitsdienstes zu dem Erwerbslose verpflichtet werden können, antiziganistische Pogrome, medialer Antisemitismus sowie faschistische Mobilisierungen durch die Kräfte der neonazistischen Jobbik – es sind harte Fakten die nicht erst seit gestern bekannt sind und trotzdem war lange Zeit, insbesondere während der von Ungarn ausgeführten EU-Ratspräsidentschaft wenig die Rede vom ‚ungarischen Weg’. Wahrnehmbare institutionelle Kritik kam aus einem ganz anderen Grund – der ungarischen Wirtschaftspoltik. Stimmen gegen die Entwicklungen in Ungarn kamen nur langsam und vereinzelt. Und ganz sicher kamen sie nicht aus Reihen von CDU und CSU. Auch als mit einem neuen Mediengesetz die Meinungsfreiheit stark angegriffen wurde, war die Kritik nur von Wenigen klar angeführt worden. Ob man da noch von "demokratischen Rechten" sprechen kann?

Die Verhältnisse haben sich derweil verfestigt und sind für viele unerträglich geworden. Während nun neben Roma auch immer mehr liberale und linke Persönlichkeiten (überlegen zu) emigrieren, schließt das Interview mit der Erkenntnis, dass Orban „die letzte Hoffung für Ungarn“ war, so Stoiber. Wenn diese Hoffnung zuletzt stirbt, könnten Ungarn hoffnungslose Jahre bevorstehen.

Links:

"Orban war die letzte Hoffnung für Ungarn"
www.budapester.hu/2012/03/interview-mit-edmund-stoiber-dem-ehemaligen-ministerprasidenten-bayerns/

"Braune Welle an der Donau"
jungle-world.com/artikel/2012/02/44668.html

"Neues Grundgesetz im Schnelldurchlauf"
news.orf.at/stories/2053825/2053840/

"Der imaginierte Fisch"
www.direkteaktion.org/206/rechtsbewegungen-eu-ungarn


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sebastien Nekyia

freier journalist www.twitter.com/s_nekyia

Sebastien Nekyia

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