Irren ist menschlich

Edathy-Affäre Der Versuch, das eigene moralisch verwerfliche Handeln damit zu rechtfertigen, dass es legal sei, war eindeutig falsch
Ausgabe 12/2014

Die politische und bürgerliche Existenz des SPD-Politikers Sebastian Edathy ist zerstört. An dieser Tatsache wird sich nichts mehr ändern, selbst wenn die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wegen Kinderpornographie irgendwann ergebnislos einstellen sollte. Edathy ist in den Ruch der Pädophilie geraten, und allein der Vorwurf liefert der bürgerlichen Gesellschaft Anlass genug, sich für immer von jemanden abzuwenden. Ob das gerecht ist und vor allem gerechtfertigt, ist dabei eine andere, fast nebensächliche Frage.

In einem Interview mit dem Spiegel hat sich Edathy nun erstmals selbst zu den Vorwürfen geäußert. Natürlich, denn für ihn ist diese Frage alles andere als nebensächlich. Fein säuberlich trennt er in dem Gespräch zwischen der rechtlichen und der moralischen Ebene. Juristisch könne man ihm nichts vorwerfen, denn der Kauf der Filme mit nackten Kindern sei strafrechtlich nicht relevant. Und moralisch treffe ihn gleichfalls keine Schuld, denn das Betrachten von nackten Kindern sei seit Jahrhunderten Teil der Kunstgeschichte und also nicht zu beanstanden.

Doch da irrt Edathy. Sein Irrtum liegt aber nicht darin, dass er den Unterschied zwischen Kunst und billigen Nackt-Videos nicht sehen will. Er liegt auch nicht darin, dass er seinen Fall rein formaljuristisch sieht. Er liegt darin, Recht und Moral so strikt voneinander zu trennen. Im Idealfall sind die Vorstellungen darüber, was in dieser Gesellschaft für richtig gehalten und was strafrechtlich sanktioniert wird, deckungsgleich. Das ist aber nicht immer der Fall und kann in einer offenen Gesellschaft auch gar nicht anders sein. Deshalb lässt sich eben auch nicht alles mit der Elle des Strafrechts messen.

Es ist menschlich, dass Edathy das nicht sehen will. Aber es ist auch falsch. Dass er sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von der eigenen Partei schäbig behandelt wurde, steht auf einem anderen Blatt. Die Ermittlungen hätten nie so öffentlich geführt werden dürfen. Und die SPD hätte ihn nicht so eiskalt fallen lassen sollen. Aber all das ändert an dem eigentlichen Vorwurf nichts. Das Betrachten von Filmen mit nackten Kindern ist in dieser Gesellschaft nach wie vor ein Tabu. Und das zu Recht.


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Geschrieben von

Philip Grassmann

Chefredakteur

Philip Grassmann ist seit 2008 Chefredakteur des Freitag. Zuvor arbeitete er neun Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Von 1994 bis 1998 war Grassmann Redakteur und später Korrespondent der Welt. Er studierte Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie der London School of Economics und ist Absolvent der Axel-Springer Journalistenschule.

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