Patientendaten für die Geheimdienste

eGK Ab Januar 2014 gilt nur noch die neue elektronische Gesundheitskarte. Die Bürgerinnen und Bürger werden einem stillen Datenschutzdesaster damit hilflos ausgeliefert

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Der Staat hat gewonnen, und mit ihm die Krankenkassen. Ab Januar 2014 werden alle Krankenversicherungskarten für ungültig erklärt, selbst wenn das aufgedruckte Ablaufdatum noch längst nicht erreicht wurde. Hintergrund ist die flächendeckende Einführung der höchst umstrittenen elektronischen Gesundheitskarte. 2004 beschlossen SPD und Grüne die Umstellung auf ein zentrales digitales System. Die ursprüngliche Idee war die Zentralisierung aller Patientendaten in einer Kartei, die bei Bedarf von Ärzten oder der Krankenkasse abgerufen werden kann, sowie die Speicherung von Stammdaten, Medikationen und Krankenakten der Patienten direkt auf der Karte. Dass sowohl die Grundidee, als auch die mangelhafte Umsetzung weder ausreichenden Datenschutz noch umfassende Datensicherheit gewährleisten können, wurde von Anfang an von Ärztevereinigungen wie der Freien Ärzteschaft e.V., und IT-Experten wie dem Chaos Computer Club heftig kritisiert. Recht gegeben hat den Kritikern eine Panne in Schleswig-Holstein im April 2011, bei der ca. 4000 psychiatrische Patientenakten über einen längeren Zeitraum problemlos über das Internet einsehbar waren. Gespeichert waren sie auf einem Server des IT-Dienstleisters Rebus gGmbH.

Durch den Skandal um die Abhörpraktiken verschiedener Geheimdienste wird die Kritik der mangelnden Datensicherheit der elektronischen Gesundheitskarte aktueller denn je. Selbst wenn die Krankenkassen ein Bewusstsein für den wichtigen Schutz von Patientendaten entwickeln würden, könnte man immer noch nicht sicher sein, ob Geheimdienste wie die NSA oder die GCHQ die Verschlüsselungen nicht trotz allem knacken könnten. Wer kann schon wissen, ob die USA bei einem VISA-Antrag nicht auch unsere Patientenakten durchstöbern um ein vermeintlich klareres Bild von uns zu gewinnen? Die Daten liegen schließlich gesammelt und zentralisiert auf den Servern von IT-Dienstleistern.

Es ist ein Unterschied ob der Staat und seine Geheimdienste aktiv in die Privatsphäre seiner Bürgerinnen und Bürger eindringt, oder ob er unter großen Anstrengungen und hohem finanziellen Aufwand Ärzte per Gesetz dazu verpflichtet die sensibelsten Daten ihrer Patienten in ein von Grund auf unsicheres System einzuspeisen. Denn auch wenn es fragwürdig ist, ob sich die Bürgerinnen und Bürger im ersten Fall selbst schützen können (sie können es zumindest versuchen), haben sie im Falle der elektronischen Gesundheitskarte ab Januar 2014 keine Chance mehr, sich selbst dagegen zu wehren. Der Bürger wird gläsern, bis in den letzten intimsten Winkel.

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Geschrieben von

Philou Pfab

https://geschicktgendern.de/ Cultural Manager, Design Thinker

Philou Pfab

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