Buylocal: Das gute Leben kommt in die Stadt

Konsumkultur Einzelhändler begründen ein Gütesiegel für verantwortlichen , lokalen Handel.

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Wenn Stadtlandschaften versteppen und sich urbane Konsumeintönigkeit breit macht, kann man versuchen, stadtplanerisch einzugreifen und eine Grünanlage oder eine neue City-Mall errichten in dem Glauben, das genüge, damit die Leute wieder glücklich auf die Straßen zurückströmen. Die gerade auf der Bildfläche erschienene Einzelhandels-Initiative „Buylocal“ versucht es mit einer anderen Idee. Sie setzt an bei der Lebensqualität. Lebensqualität, so das Räsonnement, entsteht dort, wo die ortsansässigen Einzelhändler Verantwortung für Stadt und Region übernehmen, wo sie Arbeitsplätze schaffen und erhalten, wo sie dem Zusammenhalt zwischen regionalen Erzeugern, Händlern und Verbrauchern wieder Vitalität verleihen. Damit liegt „Buylocal“ auf einer Linie mit der Stadtsoziologie, die zu dem Schluss kommt, kleine, unabhängige Hersteller und Händler förderten die Vitalität und Überlebensfähigkeit einer Stadt, große Konzerne und Filialisten seien dagegen eher für Stagnation verantwortlich (Edward Glaeser 2011: „Triumph of the City“).

Angetrieben von dem Wunsch, die Stadt zu einem lebenswerten Ort zu machen, haben sich inzwischen rund 60 unabhängige Einzelhandelsunternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet und den Nachbarländern sowie ein Dutzend Sponsoren zusammengefunden, um die Botschaft weiterzutragen, dass es uns besser geht, wenn wir uns zu mehr lokaler Solidarität bereitfinden. Auf der Frankfurter Buchmesse hatte der Verein seinen ersten öffentlichen Auftritt (http://www.buchmarkt.de/content/52586-buchhaendler-starten-bundesweite-image-und-marketingkampagne-buy-local-bundesweites-guetesiegel.htm).

„Buylocal“ geht es um mehr als um Bedingungen, die dem Einzelhandel stabile Umsätze garantieren. Im Grunde geht es um ein altes Thema der Philosophie, das des guten Lebens. Das gute Leben ist ohne eine Umgebung nicht denkbar, die für alle Ansässigen attraktiv ist, in denen sie Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung und des sozialen Austausches finden und in denen sie ihre alltäglichen Versorgungsbedürfnisse befriedigen können. Zu einer solchen Umgebung will Buylocal aktiv betragen und stellt dabei grundsätzliche Fragen: Was trägt der lokale Einzelhandel zur Verdichtung der zwischenmenschlichen Kontakte bei, indem er Kunden intensiv berät und informiert? Tut er damit etwas zur Erfüllung der allenthalben mit einem Ächzen vorgetragenen Forderung nach Entschleunigung (und hieße das: Statt Ratgeber zu lesen und Zeitmanagementseminare zu besuchen, lieber öfter vor Ort einkaufen gehen?) Welche besondere Verantwortung haben Handel und Konsumenten für eine Stadtgemeinschaft?

Es schwingt eine urpolitische Annahme mit: Die Stadt sollte ihren Bürgern gehören, sie sollten ihren Stadtraum mitgestalten. Sie gestalten ihn unter anderem durch ihre Konsumentscheidungen: Wo ich will, dass in meiner Stadt ein bestimmtes Angebot (weiter)besteht, sollte ich selbst auch kaufen. Die Stadt ist eine Polis und braucht die Mitwirkung der Ortsansässigen. Deren Souveränität über ihren Lebensort ist eine der Voraussetzungen für das gute Leben, ebenso wie das Gefühl, einer vitalen Gemeinschaft anzugehören, die für das Wohl des Ortes sorgt, an dem sie ansässig ist. Das kann unter Umständen bedeuten, die in erster Linie an Gewinnmaximierung ausgerichteten Interessen ortsfremder Großunternehmen zurückzuweisen. „Buylocal“ ist also auch eine Initiative mit politischem Anspruch.

Wenn es „Buylocal“ gelingt, Leben in die Städte zurückzuholen, kann uns das nur recht sein. Der Anspruch ist groß, ein grundlegender Wandel wäre eine große Kraftanstrengung. Die Städte jedenfalls hätten ihn nötig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Plöger

Wir brauchen nicht mehr Glück, wir brauchen mehr Sinn.

Peter Plöger

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