Eine kleine Geschichte der Love Parade

25 Jahre Love Parade Wie sich die Love Parade von einer kleinen Friedensdemo zum größten Technoevent Europas entwickelte und als Marketingevent einer Fitnesskette endete

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Alles begann damit, als Matthias Roëingh, besser bekannt unter seinem DJ-Pseudonym Dr. Motte, die Idee hatte, die noch junge Berliner Techno-Szene zu einer Friedensdemo einzuladen. Und so zogen unter dem Motto "Friede, Freude, Eierkuchen" am 1. Juli 1989 knapp 150 Raver, DJs und Technobegeisterte mit drei kleinen Lastwagen und einer leistungsstarken Musikanlage über den Berliner Ku´damm und tanzten zu schrillen Beats und metallischen Rhythmen.

Was damals, an diesem 1. Juli 1989, sehr unspektakulär begann, sollte sich nur innerhalb weniger Jahre zum größten musikalischen Happening Europas entwickeln. Vor allem das Berlin der Wendejahre, mit seinen leer stehenden Fabriken, Kellern und Ruinen, hatte einen entscheidenden Anteil an diesem Erfolg. Nur hier konnte sich durch die Gründung neuer Clubs und Musiklabels eine urbane Technokultur entfalten, die wie keine andere Jugendkultur den Zeitgeist der 1990er Jahre verkörperte. Waren 1990 noch 2000 Raver dem Aufruf "The Future is Ours" gefolgt, waren es 1995 schon eine halbe Million Teilnehmer, die unter dem Motto "Peace on Earth" für den Weltfrieden auf dem Ku´damm tanzten.

Dieser Erfolg hatte aber zur Folge, dass sich der harte Kern der Techno-Szene angesichts der fortschreitenden Kommerzialisierung und des Gigantismus von der Love Parade entfremdete. Aus der anarchistischen Friedensdemo von einst, die durch die Okkupation des öffentlichen Raumes gegen die Logik der Bürgerlichkeit und Spießigkeit des Erwachsenwerdens anzutanzen versuchte, war nicht mehr viel übrig geblieben. Die Kellerkinder des Untergrunds sind zum Mainstream geworden.

Bereits 1997 tanzten eine Million Raver zwischen dem Ernst-Reuter-Platz und dem Brandenburger Tor. Ihren Höhepunkt erreicht die Love Parade 1999, als sich 1.5 Millionen Raver, mit Trillerpfeifen und Leuchtstäben bewaffnet, auf der Straße des 17. Juni in einen ekstatischen Rausch tanzten und Berlin zur ulitmativen Partyhauptstadt Europas verwandelten. Was für ein Anblick! Auf einmal standen die Siegessäule und das Brandenburger Tor nicht nur mehr als Symbole für preußisches Soldatentum und den Weltherrschaftsanspruch deutscher Kaiser und Politiker, sondern für "Love, Peace and Unity".

Danach aber verlor die Love Parade allmählich ihre Strahlkraft und unterschritt 2002 erstmals wieder die Millionenmarke. Sie mutierte zu einem karnevalesken Sommerfest mit Ballermann-Atmosphäre. Mit der Aberkennung des Demonstrationsstatus durch das Bundesverfassungsgericht 2001, den daraus resultierenden Mehrkosten für Müllbeseitigung und Sicherheit sowie den Rückzug einer Reihe von Sponsoren als Werbepartner, geriet die Gegenfinanzierung des Technoevents dermaßen unter Druck, dass für die Jahre 2004 und 2005 die Love Parade ganz abgesagt werden musste.

Doch durch die Neustrukturierung der Organisation und den Einstieg der Fitness-Kette McFit feierte die Love Parade 2006 noch einmal ein Comeback, als 1.2 Millionen Raver durch die Straßen Berlins zogen. Es war zugleich das letzte Mal, dass die Love Parade in Berlin stattfinden sollte. Die Partyhauptstadt Europas wollte das größte Technoevent der Welt nicht mehr. Umgekehrt war es wohl ähnlich. Die Love Parade hatte sich in Berlin überlebt.

So verkümmerte sie als Marketingevent einer Fitness-Kette, die sie als Werbefläche und steuerliches Abschreibungsobjekt missbrauchte und an den Meistbietenden verschacherte. Fortan warb sie als "das" Veranstaltungsevent für die RUHR.2010. Und so zog die 17. Love Parade am 25. August 2007 durch Essen und ein Jahr später durch Dortmund. Nachdem Bochum die Love Parade 2009 aufgrund von Sicherheitsbedenken absagte und dafür von Akteuren aus Politik, Medien und Wirtschaft hart kritisiert wird, sollte (beziehungsweise musste) die Love Parade 2010 in Duisburg stattfinden. Zu enorm war der öffentliche Druck, der auf Duisburg lastete, wurde die Love Parade in jenem Jahr doch zur wichtigsten Veranstaltung für die Feierlichkeiten im Rahmen des europäischen Kulturhauptstadtjahres auserkoren. Und so peitschte das Duisburger Rathaus und die Stadtverwaltung, allen Bedenken zum Trotz, die Genehmigung für die 19. Love Parade durch.

So geschah, was hätte verhindert werden können. Als am 24. Juli 2010 die Love Parade auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofes in der Nähe des Hauptbahnhofes begann, entwickelte sich im Eingangsbereich zum Veranstaltungsgelände ein Menschenkessel, der 21 Todesopfer und hunderte Verletzte forderte. Junge Menschen, die an diesem Tag nichts weiter machen wollten, als ausgelassen zu tanzen und zu feiern, wurden Opfer einer gigantischen Fehlplanung durch die Veranstalter, der Stadtverwaltung und der Polizei. Nur einen Tag später wurde vom Veranstalter das Ende der Love Parade verkündet.

Und was einst als kleine anarchistische Friedensdemonstration begann, und sich innerhalb weniger Jahre zum größten musikalischen Happening Europas entwickelte, endete als Marketingevent einer Fitnesskette in der Katastrophe von Duisburg.

Was für ein trauriges Ende.

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Geschrieben von

René Korth

freier Autor, der über Kultur, Gesellschaft und Politik schreibt

René Korth

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