Unfähig 2.0

Österreich Die etablierten Parteien verstehen Social Media nicht. Sie versuchen, altgediente Kommunikationsmuster auf neue Kanäle zu übertragen – gekaufte Freunde sind keine Lösung
Auf sicherem Terrain: Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hält sich lieber an die klassischen Medien
Auf sicherem Terrain: Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hält sich lieber an die klassischen Medien

Foto: AFP/ Getty Images

Wien - Sebastian Kurz gilt als einer der beliebtesten Politiker Österreichs. Doch der Integrationsstaatssekretär und seine Partei, die ÖVP, haben ein Problem. Sie verstehen Social Media einfach nicht. Wenn sie es doch tun, verstehen sie gut, das zu verbergen. Ein YouTube-Video, in dem Sebastian Kurz von der Jungen ÖVP beworben wird, zeigt gefälschte Twitter-Profile, Facebook-Einträge und Google-Suchergebnisse – die Tageszeitung Der Standard berichtete. Die ÖVP ist allerdings nicht die einzige Partei, die Unverständnis für neue Medien demonstriert. Auch die SPÖ und das Team Stronach brauchen offenbar bezahlte Fake-Accounts, um ihren eigenen den Anschein übermäßiger Beliebtheit zu verleihen. Nicht nur das, im Bundeskanzleramt hat man tausende Euro für den – mittlerweile als gescheitert zu betrachtenden – Versuch ausgegeben, Werner Faymann ein wenig mehr Online-Präsenz auf Twitter zu verleihen. (@teamkanzler twittert seit dem 22. November 2011 nicht mehr.)

In einem Blogbeitrag analysierte der Kampagnen- und Kommunikationsberater Yussi Pick die Kurz‘sche YouTube Causa. Sein Fazit: Es ist eher tragisch, dass die ÖVP den Anschein erweckt, nicht genug positive Presse zu erhalten, sodass sie diese fälschen muss. Immerhin griff selbst Barack Obama vermutlich auf falsche Twitter-Accounts in seinen Werbevideos zurück.

Ein wirklich sinnvoller Zustand ist das nicht. Dass Social Media aber gar nicht so schwer zu verstehen und zu nutzen ist, zeigen durchaus erfolgreiche Beispiele von Politikerinnen und Politikern. Social Media kann dabei einerseits als Marketinginstrument und andererseits als Diskussionsforum genutzt werden. Zwar spielen Plattformen wie Twitter und Facebook im österreichischen Wahlkampf (noch) keine wirklich fundamentale Rolle, doch sollten Politikerinnen und Politiker nicht auf eine solche Chance verzichten, einen Kommunikationskanal zur Bevölkerung zu nutzen. Es reicht heute nicht mehr, einfach nur Presseaussendungen auszuschicken. So irrelevant das für die politische Arbeit sein mag, viele Wählerinnen und Wähler stimmen bloß für die eine oder die andere Partei, wenn sie der Meinung sind, dass deren Kontakt mit der Bevölkerung zufriedenstellend ist. Social Media, vor allem Facebook, stellt eine Form der Öffentlichkeit dar, die eben dazu beiträgt, in Kontakt mit der Bevölkerung zu bleiben.

Am Wichtigsten sind hierbei allerdings Dinge, welche die Parteien offenbar nicht beherrschen. Besonders Authentizität und Geduld. Wenn Politikerinnen und Politiker schon Social Media nutzen, sollten sie das idealerweise persönlich tun und es nicht an ein Presseteam delegieren. Das ermöglicht einen ganz anderen Umgangston in Diskussionen und erweckt am ehesten den Eindruck tatsächlichen Kontakts. Außerdem bringt es nichts, sich selbst Freunde, Follower oder Likes zu kaufen, denn das geht direkt am Sinn von Social Media und der Verknüpfung mit Interessierten Personen vorbei. Dabei hilft vor allem Bekanntheitsgrad, die Qualität und die Regelmäßigkeit der Beiträge.

Die meisten österreichischen Politikerinnen und Politiker verkennen die Bedeutung sowohl von Social Media als auch vom Internet im Allgemeinen. Das zeigt auch deren Umgang mit der Idee eines Internet-Staatssekretariats. Dieser von den Grünen – der wohl fähigsten und online aktivsten Partei – eingebrachte Vorschlag stößt bei den Parteien kaum auf Gegenliebe. Überdies wird die Bedeutung des Internets in Österreich grundsätzlich unterschätzt. Wie sonst könnte man es erklären, dass die Prism-Affäre und die Rolle, die die Bundesregierung dabei spielte, im aktuellen Wahlkampf kaum thematisiert wird? Würde Bundeskanzler Werner Faymann sich so über das Internet äußern, wie es Angela Merkel tat, es gäbe wohl kaum ein solches Echo wie in Deutschland.

Müsste ich den Umgang der österreichischen Politik mit dem Internet beschreiben, mir fielen spontan nur zwei Worte ein: Ignorant und unfähig.

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Geschrieben von

rjspoetta

International relations and security policy aficionado, diplomat by training.Twitter: @rjspoetta

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