Vom Hauen und Stechen

Buchmarkt In Deutschland gäbe es viel Marktpotential für E-Books. Jedoch muss man das Potential erkennen und einiges ändern. Ein Kommentar über ein gesellschaftliches Desaster

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Vom Hauen und Stechen

Foto: Daniel Roland/AFP/GettyImages

Auf dem Buchmarkt und an seinen Rändern herrscht seit geraumer Zeit ein Hauen und Stechen, wie der Tagesspiegel vor einiger Zeit berichtete, hinter und vor den Kulissen, dass man sich als Kleinverleger nur wundern kann. Kunden diesem Marktgebaren auszusetzen, ist schlicht verantwortungslos. Seit Frühjahr 2013 läuft bei mir (AutorenVerlag Matern) eine Umorientierung auf digitale Produkte - und genau in diesem Markt-Segment prallen Thesen und Antithesen, legales und illegales Handeln gegen- und ineinander, so dass Leute von außen, vor allem Leser, kaum noch erkennen können, worum es konkret geht. Zum Marktgebaren gehört eine Desinformationspolitik, die lediglich auf Effekte innerhalb der eigenen Reihen setzt und von außen gar nicht mehr nachvollziehbar ist.

Die Betreiber illegaler Plattformen wie auch ihre Nutzer vermissen offenbar einen Vertrieb von drm-freien eBooks (eBooks ohne implementierte Rechteverwaltung) zu günstigen Preisen. Würde es einen solchen Vertrieb geben, wären die Plattformen für viele Leser vermutlich relativ unrelevant, sieht man mal von Nutzern ab, die sich auch preiswerte Bücher nicht leisten könnten. Bibliotheken hängen mit ihren Online- und Digital-Angeboten offenbar immer noch stark hinterher.

Faktisch ist das Hauen und Stechen Teil eines gesellschaftlichen Desaster das seinen kurzzeitigen Höhepunkt mit Merkels Neuland-Bekenntnis hatte. Weshalb? EBooks gelten offiziell, handelsrechtlich nicht als Bücher, sondern als Software. Dies hat steuerliche Konsequenzen: 19% MwSt / USt anstatt 7%. Beim Preisvergleich von eBooks und Papierbüchern in Deutschland ist dies zu berücksichtigen. Desweiteren ist der deutschsprachige Markt im Vergleich zum englischsprachigen ein Dorf. In Australien und Indien wird man deutschsprachige Literatur kaum lesen, englischsprachige aber schon. Die Kalkulationen der Verlage sehen schlicht anders aus.

Lässt man die Preise kurz außer Acht, sind die digitalen Schutzmechanismen, mit denen eBooks jeweils für ein Gerät lizensiert werden, tatsächlich verwerflich. Diese Einschränkung ist nicht zu rechtfertigen, es sei denn, man wollte die großen Softwarehersteller noch überbieten, die z.B. bei einem Rechnerwechsel eine neue Aktivierung verlangen. Für eBooks ist so etwas nicht vorgesehen: Das Kindle-Format lässt sich z.B. nicht einfach portieren. Sich mit geschützten eBooks ruhigen Gewissens eine Bibliothek aufzubauen, ist so gut wie unmöglich. Von der Kritik betroffen sind jedoch nicht nur Verlage, sondern auch Händler, die nur für das von ihnen vertriebene Gerät lizensieren.

Im Hinblick auf die Preise sind aber Staat und Verlage gleichermaßen in die Verantwortung zu nehmen, günstige Angebote zu ermöglichen, im Hinblick auf einen Verleih die vielen öffentlichen Bibliotheken! Der immer wieder zu lesende Vergleich mit ‘Spotify’ aus der Musikbranche hinkt: Nicht nur sind die Gebühren an Labels und Verwertungsgesellschaften (Urherber) gering, die Firma ist inzwischen finanziell am Ende.

Sollen die Marktpotentiale im deutschsprachigen Raum verspielt werden, bevor sich ein Markt überhaupt gebildet hat?

Zuvor auf: http://tmblr.co/ZGvR4styIL6i

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Geschrieben von

R.M.

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