Und keiner will's gewesen sein ...

Kriegsschuld Die Botschaft, die uns der ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, Unsere Väter“ zur Schuldfrage mitgibt, ist bestenfalls missverständlich

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Und keiner will's gewesen sein ...

Screenshot ZDF

"Unsere Mütter, Unsere Väter“ ist rein filmisch ein Meisterwerk auf der Höhe der Zeit und markiert für das ZDF, in dem ansonsten Rosamunde Pilcher und Konsorten eine Bühne geboten wird, einen Meilenstein auf dem Weg zur Frischzellenkur. Doch die Aussage über die Schuld der portraitierten Generation spricht keine deutliche Sprache.

Das Bild, mit dem der dritte Teil der Reihe endete, zeigte den zur Einsicht gelangten und desertierten Wilhelm und die gutherzige Lazarrettsschwester Charlotte wieder vereint mit ihrem jüdischen Freund Viktor, der den Großteil des Films auf der Flucht verbrachte. An Ort und Stelle ihres fünf Jahre vergangenen letzten gemeinsamen Treffens stoßen sie, allesamt gezeichnet vom Krieg, auf ihre verstorbenen Freunde an. Ein Bild, das von Reue und Scham zeugt, das zeigt wie unbeschwerte Weltbilder nachhaltig erschüttert wurden. Man könnte meinen, es soll ein Sinnbild für die Nachkriegssituation darstellen.

Was hätten wir getan?

Ich, der ich so gut wie keine Überlebenden des Krieges kenne oder kannte, kann und werde mir nicht anmaßen, in meinen jungen Jahren zu beurteilen, wie die damaligen Zustände wirklich aussahen. Die Frage, wie meine Generation sich oder ich persönlich mich damals verhalten hätte, ist nicht zu beantworten und wirft bei mir nur weitere Fragen auf. Was ich allerdings festzustellen vermag: Der Film zeichnet ein Bild von einer Generation, der die Jugend und die Zukunft zugleich genommen wurden, die zu spät aus diesem Krieg gelernt hat. Alle Protagonisten bis auf Viktor werden als tragische Helden inszeniert. Wie gut ist das mit dem Bildungsauftrag der Öffentlich-rechtlichen vereinbar?

Schauen wir uns die Protagonisten einmal der Reihe nach an. Da hätten wir Wilhelm, der zu Kriegsbeginn am Anfang einer aussichtsreichen Militärkarriere steht, nach und nach zur Einsicht kommt, Mitgefühl zeigt und schließlich (sogar mehrmals) desertiert. Sein Bruder Friedhelm, zu Anfang noch der intellektuelle Bücherwurm, der mit Krieg so gar nichts anfangen kann, wird in seinem Verlauf „zum Mann“ und mischt, teils widerwillig, mit. Er opfert sich schließlich für einige jüngere Mitstreiter auf und stirbt einen tragischen und theatralisch inszenierten Tod. Schwester Charlotte kann den Beginn ihres Frontdienstes zu Beginn gar nicht abwarten, auch ihre Zweifel werden im Laufe der Handlung immer größer. Schlussendlich zeigt sie Mitgefühl und riskiert ihr Leben für eine russische Hilfsschwester. Auch Schlagersängerin Greta, die sich am Anfang scheinbar gut mit dem Regime arrangieren konnte, wird letztenendes wegen Defätismus hingerichtet.

Von Nutznießern zu tragischen Helden

Was schnell auffällt: Alle vier waren den Großteil der Zeit eng mit dem NS-Staat verbandelt und stellten sich in irgendeiner Form in seinen Dienst. Jeder einzelne gelang aber früher oder später zur Einsicht und wurde zum tragischen Helden – wenn nicht gar zum Opfer. Selbst zu Anfang, als Zweifel sich noch stark in Grenzen hielten, hatte niemand antisemitische Ressentiments gegenüber Viktor. Keiner der vier hatte also die NS-Ideologie abschließend verinnerlicht oder war wirklich indoktriniert. Die wirklichen und überzeugten Nazis waren – mit wenigen Ausnahmen – zahlreiche Statisten, die im Sekundentakt erschossen wurden.

Es mag mit Sicherheit unzählige vergleichbarer Schicksale gegeben haben, ich halte die einseitige Auswahl der Hauptcharaktere allerdings – ohne den Autoren eine Absicht zu unterstellen – für sehr ungeschickt. Ein Bild von reumütigen jungen Deutschen, die zwar streckenweise Mitläufer waren, aber entscheidend aus ihren Fehlern gelernt haben und sich ihrer Fehler bewusst sind, relativiert die Kriegsschuld einer Gesellschaft entscheidend.

Irgendjemand muss es eben doch gewesen sein.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden