Das Rennen der Reichen

Berlin-Marathon 98 € Startgebühr beim Berlin Marathon 2014 und zu wenige freie Startplätze. Die Stadt gehört beim Berlin-Marathon dem SCC und den Reichen.

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Das Anmeldeverfahren für den Berlin-Marathon 2013 war stark in die Kritik gekommen, da die frei verkäuflichen Startnummern innerhalb von wenigen Stunden nach Beginn der Online-Anmeldung ausverkauft waren. Wer etwa drei Stunden nach Eröffnung des Internetportals zur Anmeldung eine Nummer haben wollte, konnte nur noch teure Startplätze für 90 oder gar 120 Euro erwerben und nach fünf Stunden schloss das Anmeldeportal endgültig. Wer danach noch eine offizielle Startnummer haben wollte, konnte diese nur über einen Reiseveranstalter erwerben, der diese zusammen mit einer Reise anbot. Damit auch ja niemand „schwarz“ mitlief, wurden zudem 2013 besondere Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. So mussten alle Teilnehmer sich bei der Startnummernausgabe mit Ausweis ausweisen und erhielten dort direkt ein Armband, welches sie bis zum Ende der Veranstaltung tragen mussten. Das diese Maßnahmen Menschen mit wirklich krimineller Energie nicht davon abhalten konnte, aktiv zu werden, zeigt der Fall, des „Flitzers“, der kurz vor dem Einlauf des Weltrekordläufers Wilson Kipsang die Absperrung im Zielbereich überwand und vor Kipsang die Ziellinie überschritt. Aber wer beispielsweise im Krankheitsfall seine Startnummer weitergeben oder gar verkaufen wollte, konnte dies nun nicht mehr. Dass das alles mit Sicherheitsaspekten nicht zu erklären ist, dürfte jedem deutlich sein. Die Attentäter beim Boston-Marathon hatten sich schließlich nicht als Läufer, sondern als Zuschauer getarnt.

Um der Kritik zu entgehen, so die offizielle Begründung, hat sich der Sport-Club-Charlottenburg (SCC) in diesem Jahr ein neues Verfahren ausgedacht. Seit dem 1. Oktober kann man sich auf seiner Internetseite registrieren. Nach Abschluss der ersten Registrierungsphase werden die möglichen Teilnehmer ausgelost. Sollten diese sich dann nicht anmelden, gehen die nicht abgerufenen Plätze zurück in die Lostrommel und werden in einem zweiten Verfahren verlost. Alle Startplätze kosten 98 €, ein stolzer Preis für einen Stadtlauf. Kaum kündigte der SCC auf seiner Facebookseite die Eröffnung der Registrierungsphase an, hagelte es erneut Kritik. Diese richtete sich vor allem gegen den hohen Preis des Startgeldes und das Losverfahren an sich. So ist es jetzt Gruppen oder Ehepaaren unmöglich, gemeinsam zu melden. Denn was ist, wenn in der ersten und der zweiten Runde beim Losverfahren nur einer gezogen wird? Dann hat der eine schon bezahlt, sein Partner darf aber nicht mitlaufen. Der zweite Punkt ist der hohe Preis. Der Veranstalter rechtfertigt diesen mit gestiegenen Kosten für den Service und Absperrungen etc. Nur seltsam, dass die Veranstalter in anderen Großstädten oft nur die Hälfte der Summe verlangen. Auch langjährige Teilnehmer reiben sich erstaunt die Augen. Kostete das Startgeld vor rund 20 Jahren noch 30 Mark und erhielt man damals sogar noch einen Teller Spaghetti und andere Serviceleistungen wie eine Massage, so muss man für all dies heute extra bezahlen. Eine Versechsfachung des Preises in so kurzer Zeit ist weder mit Inflation noch mit gestiegenen Kosten zu begründen.

Der SCC zeigt sich in seiner ersten Reaktion auf seiner Facebookseite ignorant. Das Verfahren und die Preise seien nun mal so, wem es nicht gefalle, der könne ja woanders laufen. Der Berlin-Marathon sei ein besonderes Rennen mit einer Millionen Zuschauern, Weltrekorden und 40.000 Läufern und noch viel mehr Anmeldungen. Die Veranstaltung sei Ihr Geld wert, denn wo sonnst könne man mit der Weltelite laufen und wo sonst würden so viele neue Rekorde aufgestellt.

Dabei verschweigt und verschleiert der Veranstalter viele Fakten. So legt er nicht offen, wie viele Startplätze überhaupt „frei“ verlost werden und wie viele zu welchem Preis gleich an Reiseunternehmen weggehen. Wie kommt der SCC auf die Zahl von einer Millionen Zuschauern an der Strecke? Das würde ja bedeuten, dass jeder dritte Berliner von Marzahn bis Wannsee irgendwo an der Strecke stehen müsste. Was wird durch den Verkauf der Fernsehrechte an nationale und internationale Fernsehsender an Einnahmen erzielt? Was zahlen die Sponsoren? Und schließlich, was kostet der Spaß eigentlich indirekt den Steuerzahler. Schließlich wird die Infrastruktur der gesamten Innenstadt genutzt und lahm gelegt.

Der Berlin-Marathon hat sich in den letzten vierzig Jahren von einer Veranstaltung einiger weniger Sportenthusiasten zu einem gigantischen kommerziellen Projekt entwickelt. Die Zuschauer, Bands und Cheerleader sind die willfährigen Klaqueure einer gar nicht mehr lustigen Veranstaltung. Denn Hartz IV Empfänger, Studenten, Rentner und viele andere Menschen mit niedrigem Einkommen, sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Sie können sich höchstens als freiwillig Helfer an den Verpflegungsständen für die vermeintlich gute Sache ausbeuten lassen.

Hier ist die politische Ebene gefordert. Denn es kann nicht sein, dass die Stadt und der Berlin-Marathon dem SCC und den Schönen und Reichen alleine gehört. Der Veranstalter, der die Infrastruktur aller Bürger nutzt, muss gezwungen werden, seine Veranstaltung auch allen Bürgern Berlins zu ermöglichen. Was spräche den beispielsweise gegen ein ermäßigtes Startgeld für Menschen mit niedrigem Einkommen und genügend Startplätzen im freien Verkauf? Der Veranstaltung und der Umwelt würde es auf jeden Fall gut tun, wenn mehr Berliner und weniger Superreiche aus Übersee, die erst einfliegen müssen, teilnehmen.

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Geschrieben von

Saltadoros

Olaf Schäfer: Pädagoge, Musiker...

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